Hamburg. Kultursenator Carsten Brosda trat mit Literaturhaus-Chef Rainer Moritz auf. Wie der Abend im ausverkauften Literaturhaus ablief.

„Ein Jazzer sagte mal, das ist mir zu banal, es gibt doch keine Cowboys hier“, sang Truck Stop 1979, aber seitdem ist in Hamburg einiges passiert. Jetzt liegen am Dienstag sogar ein (aus­tralischer) Viehhirtenhut und ein Anglerdeckel von Globetrotter im Literaturhaus, und dahinter sitzen die Johnny und June Carter Cash, die Al Bano und Romina Power der Hamburger Kulturszene: Literaturhaus-Chef Rainer Moritz und Kultursenator Carsten Brosda.

Von Rainer Moritz ist lange bekannt, dass er, was guten Musikgeschmack betrifft, so einige Leichen im Keller hat. Schlager. Hossa. Carsten Brosda hingegen hat ein Herz für Country. Yehaaw. Seit 2018 treffen sich die beiden immer wieder zum Duell mit Diskussionen, Klang- und Textbeispielen im brennend heißen Wüstensand. Schön war die Zeit. Warum Brosda das über sich ergehen lässt? „Um zu sehen, ob ich noch hart genug für diesen Job bin.“ Das Oberthema beim fünften Treffen am Dienstag klingt jedenfalls harmlos. „Männer & Frauen“, ein Klassiker in der Literatur wie auch in der Musik von Oper bis Pop.

Schlager-Country: So lief der Abend im Literaturhaus ab

Los geht es im ausverkauften Literaturhaus (und vor den Endgeräten im Livestream) mit „All My Favourite Peo­ple“ von Maren Morris. Brosda wählte das Neo-Country-Stück aus dem Jahr 2019 für ein einleitendes Textzitat aus dem Song: „Nicht jeder trinkt an einem Dienstagabend“. Moritz antwortet mit Daliah Lavis „Worte wie Pfeile“. Damit ist der dreistündige Abend (mit Pause) gut beschrieben: am Wein nippen, Lied ertragen, hämisch bis zugeneigt kommentieren. Lachtränen lügen nicht.

Lieder von John Prine, Conny & Jean („Felicità“ auf Deutsch, Himmel hilf!), Emmylou Harris mit Rodney Crowell und Mark Knopfler, Michael Holm, Sandie Shaw, George Jones & Melba Montgomery, Tom Russell & Nanci Griffith, Gus Backus und Marianne Rosenberg werden herangezogen, um Probleme und mögliche Lösungen für Liebes- und Lebenslagen aus den Songs zu gewinnen. Tiefgründige Interpretation ist dabei ebenso möglich wie erstauntes Entsetzen über Textzeilen, die vor 40, 50 Jahren Hits waren.

Brosda bekommt in der Pause Manöverkritik

In der Pause bekommt Brosda von Indie-Pop-Charmeur Bernd Begemann Manöverkritik. Brosda solle doch mehr Verständnis zeigen, „Countryfans haben doch ein großes Herz“. Aber Moritz nimmt seinem Gesprächspartner den bemühten Willen zur Persönlichkeitsentwicklung nicht ab: „Kaum ist man in der Koalition mit den Grünen, heißt es: ,ich will auch an mir arbeiten‘, wenn ich das schon höre“, winkt er ab. Brosda beschwert sich prompt, dass in der Buchauslage des Literaturhauses nur Zeitschriften liegen.

Das Publikum erlebt einen Tag nach dem Valentinstag ein beachtlich misslungenes Date. Aber die sind ja, wenn man am Nebentisch mitlauschen kann, die unterhaltsamsten.

„Nichts fehlt mir so sehr wie Sexualverkehr“, gesteht Moritz am Ende mit den Worten von Schlagerparodist Christian Steiffen. Was wohl die Mutter von Moritz, die den Livestream schaut, zu diesem Finale des Abends sagt? Er ist jedenfalls wie immer kurzweilig bis akustisch schmerzhaft, aber auch wieder etwas unversöhnlich. Vielleicht sollten Moritz und Brosda nächstes Mal zusammen singen: „Somethin’ Stupid“: Man sagt zwar etwas Blödes, hat sich aber sehr doll lieb.