Hamburg. Das Kunstspiel zum Mitmachen – jeden Montag im Abendblatt. Dieses Mal: Carl Spitzwegs „Der Sterndeuter“.
Selten hat der Titel dieser Reihe so gut zu einem Bild gepasst wie heute. Denn der Mann, der hier in gebückter Stellung hinter dem Teleskop kauert, sieht wirklich etwas, was wir nicht sehen. Wir werden es auch nicht erfahren, aber es scheint ihn zu erstaunen, wie sein aufgerissener Mund andeutet. Er schaut ungläubig auf das, was er erblickt. Seinen Hut zerknüllt er dabei fast in den Händen.
Das Bild heißt „Der Sterndeuter“, aber diese Berufsbezeichnung scheint sich doch eher auf den Mann im Hintergrund zu beziehen, der seinem Gast das optische Gerät mal kurz überlässt. Es ist auf ein Holzgestellt montiert, das Okular ist so tief ausgerichtet, dass allenfalls ein Kind es ohne Schwierigkeiten benutzen könnte. Im Vordergrund erkennt man einen (Himmels-?)Globus und Folianten, durch eine Öffnung dringt nächtliches Licht in den hohen Raum. Der Mann hinter dem Beobachter ist dick bebrillt, trägt eine Mütze und scheint zu lächeln. Macht sich der Maler hier etwa über den Mann am Teleskop lustig?
Carl Spitzweg (1808–1885) hat das Bild um 1863 herum gemalt. Mittlerweile ist es von von Krakeleerissen überzogen. Vom Motiv existiert auch eine Bleistiftstudie, die nur den staunenden Mann zeigt. Spitzweg hatte eigentlich Apotheker gelernt und auch in dem Beruf gearbeitet. Bekannt war er damals für seine Spezialität, einen Fünfkräutertee.
Carl Spitzweg: „Maler des deutschen Gemüts“
Während eines Kuraufenthalts änderte er sein Ziel und wurde Künstler. Er war Autodidakt. Spitzwegs Bilder sind liebe- und humorvoll, oft mit gutmütigem Spott durchzogen. Gern veräppelte er die Obrigkeit. Man rechnet sein Werk dem Biedermeier zu. Die Epoche steht für den Rückzug in die „heile Welt“. Aber man findet bei ihm auch Anklänge an die Spätromantik und den Impressionismus.
Der Künstler, der aus München kam, galt als „Maler des deutschen Gemüts“. Als er 1885 starb, hinterließ er mehr als 1500 Bilder und Zeichnungen. Etwa 400 Bilder konnte er zu Lebzeiten verkaufen. Seine Popularität setzte erst nach dem Zweiten Weltkrieg ein. Zu seinen bekanntesten Werken zählen „Der arme Poet“ und „Der Bücherwurm“. Er galt als Maler mit raffiniertem Farbensinn.
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Hans Platte, Direktor des Hamburger Kunstvereins, schrieb: „Spitzweg macht uns deutlich, dass seine Helden kein Verhältnis zur großen Natur haben, er zeigt uns, dass diese Menschen befangen sind in irgendwelchen Nebensächlichkeiten, die sie sicherlich zu beglücken vermögen, die sie aber die eigentlichen Wunder dieser Welt verkennen lassen.“
Spitzweg schrieb auch gern. Hier sein Poem „Ich als Dichter“:
Wenn ich den Tag schon opfre doch/
Rein nur Vergnügens Sachen,/
So will ich wenigst‘ abends noch/
Ein klein Plaisir mir machen.
Ich bitt‘, du mußt nur hier von all’n/
Auf jeden Schmerz verzichten;/
Am Tage nämlich tu ich mal’n,/
Und abends tu ich dichten.