Hamburg. Charly Hübner stellte sein Literaturdebüt im Schauspielhaus vor. Zum Abschluss macht der Schauspieler ein überraschendes Geständnis.
Dass Charly Hübner ein Faible für harte Rockmusik hat, ist schon länger bekannt. Nur denkt man da eher an Bands wie die Punkpopper Feine Sahne Fischfilet, über die der Schauspielhaus-Star einst eine sehenswerte Reportage drehte, wegen der gemeinsamen Wurzeln im mecklenburgischen Hinterland und wegen der stabil antifaschistischen Haltung. Und weniger an die britischen Bluesmetal-Legenden Motörhead.
Aber gut: Wir haben alle unsere musikalischen Leichen im Keller. Weswegen er auf Anraten des Verlags Kiepenheuer & Witsch ein Buch darüber schrieb, was er mit der Band verbindet: „Motörhead oder Warum ich James Last dankbar sein sollte“, norddeutsche Jugenderinnerungen mit halbphantastischer Grundierung.
Charlie Hübner ist ein Bühnenmensch, aber kein Schriftsteller
Dass Hübner solch einen Text bei der Buchpräsentation im Schauspielhaus unterhaltsam vortragen kann – geschenkt. Der 49-Jährige ist ein Vollblut-Bühnenmensch, der jede Vorlage mit Leben zu füllen weiß, zudem ist er Profi genug, um die eigene Aufregung in Spannung zu verwandeln.
Was Hübner nicht ist: ein Schriftsteller. Er weiß auch, dass „Motörhead oder Warum ich James Last dankbar sein sollte“ keine große Literatur ist, sondern ein Versuch, der sich nur halb originell an einer Konstruktion entlang hangelt, in der ein Ich-Erzähler mit dem Teufel paktiert, um sich ein paar Altrockern auf dem platten Land zu nähern. Kann man machen. Ist aber nur so mittelinteressant.
Hübner schlüpft im Schauspielhaus in Rollen
Aber Hübner hat natürlich Strategien parat, den Vortrag eben doch interessant zu gestalten: Er schlüpft in Rollen, liest den Teufel mit breitem Mecklenburger Slang. Er lässt Motörhead-Songs einspielen, „Ace of Spades“ wälzt sich durch den Saal (und sorgt nebenbei für den Beweis, dass die Soundanlage im Schauspielhaus einem ganz schön das Gehör wegblasen kann).
Und als er merkt, dass sich dieser Trick abzunutzen beginnt, übernimmt er die musikalische Begleitung selbst: Er holt den Musiker Sönke Rust auf die Bühne, der die räudigen, lärmigen Motörhead-Songs auf einer lieblichen Akustikgitarre zupft, „Emergency“, „The Hammer“, das klingt plötzlich nach Americana-Nostalgie, zu der Hübner leidenschaftlich croonen kann, mit ironischer Distanz und akzentschwerem Englisch.
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Charly Hübners Buchpräsentation ist ein Konzert
In ihren besten Momenten ist diese Buchpräsentation also keine Lesung, sondern ein Konzert. Ein Konzert, das einem deutlich zu verstehen gibt, was ein ostdeutscher Erfolgsschauspieler an einer Band findet, die sich gründete, als er gerade mal drei Jahre alt war: Songs, die Sehnsüchte in sich tragen, melodische Schönheit, die sich auch von tonnenweise Lärm nicht ganz in den Hintergrund schieben lässt.
Zum Abschluss dann noch ein Geständnis: Hübner sah Motörhead nur ein einziges Mal live, 2013, in Wacken. Als Sänger Lemmy Kilmister nach einer halben Stunde auf der Bühne einen Zusammenbruch erlitt. Dieser Auftritt war der Beginn vom Ende der Band, drei Jahre später starb Kilmister. Aber weil Hübners Text mit dem Teufel im Bunde ist, kann der Sänger auch wieder auferstehen, als Erscheinung am sagenumwobenen See Schmaler Luzin. Und aus den Boxen dröhnt das atemberaubende Intro von „Overkill“