Hamburg. Das Festival auf Kampnagel widmet sich universellen Themen – auch unter dem diesjährigen Motto „Soft Utopia“. So lief der Auftakt.
Die Jahre, in denen die künstlerische Leiterin Ricarda Ciontos das biennal ausgerichtete Nordwind Festival nutzte, um Hamburg und Berlin mit ungewöhnlichen Theater- und Tanzhandschriften aus dem skandinavischen Raum zu versorgen, liegen lange zurück. Ein wenig hat es dadurch leider auch seinen ursprünglichen Charakter verloren. Nun ist es ein Hamburger Kampnagel-Festival mit gleichwohl universellen Themen – auch unter dem diesjährigen Motto „Soft Utopia“. Ganz oben stehen Solidarität und Zugänglichkeit.
Eines Eröffnungsabends würdig erweist sich die „Hausparty“ der Hamburger Regisseurin Mable Preach und ihres umfänglichen Netzwerkes. Zu den elektronischen Sounds von DJ Waxs und weiteren Live-Musikern gibt es Tanz, Pop-Songs und viel glitzerndes Empowerment. Das große Bühnenpodest mit fünf Laufsteg-Zugängen bietet reichlich Raum für einen coolen Voguing-Ballroom nach New Yorker Vorbild. Acts wie House of Brownies begeistern mit atemberaubenden Tanzbewegungen. Danny Banany singt mit George Michael von Vaterfiguren.
Kampnagel-Festival widmet sich universellen Themen
Die spielen auch eine eher unrühmliche Rolle in Andreas Constantinous in Dänemark entstandener Performance „Champions“. Das Setting ist ein überraschend realistisches Zimmer. Während der Theatermacher selbst seiner Kleidung entledigt in einem Sessel sitzt, flimmern bald ringende nackte Männer über die Wände. Aus antiquierten Technik-Geräten gesendete Texte – zum Teil ausgetauscht zwischen Künstler und Therapeutin - erwecken seine tragische Familiengeschichte als schwuler Sohn eines homophoben und gefühlskalten Vaters zum Leben. Dieser extrem authentische Ansatz bewegt. Als es jedoch um letzte Worte bei der Beerdigung des an Covid gestorbenen Vaters geht, ist man doch eher unangenehm berührt ob so viel Kunst-Pathos.
- Eine langsam steigende Flut von Ängsten und Monstrositäten
- Eine Oper für Gehörlose und Tanz für Menschen mit Sehstörung
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Um Abschied geht es auch bei Ursina Tossis „Fux“. Die Hamburger Choreographin hat mit einem sechsköpfigen Tanz-Team eine Erinnerung an den – in dieser Vision ausgestorbenen – Fuchs für Menschen ab acht Jahren mit und ohne Sehbeeinträchtigung entwickelt. Vor einem wunderbaren Wald-Bühnenbild aus schwebenden grünen Fühlbällen (Bühne: Lea Kissing), bewegen sich die Tanzenden mal in Wellen, mal auf allen Vieren über den Boden.
Sie kämpfen miteinander und halten sich gegenseitig, werden zu Schlange, Spinne, Fuchs und Vogel, bis sie von einem Eissturm verschlungen werden. Es wird getrauert, aber auch gelacht, und zum Glück ist „Fux“ vor allem eine berührende Handlungsaufforderung zum Wohle der Tierarten – und des Menschen. asti
Nordwind Festival: „Soft Utopia“ bis 13.12., Kampnagel, Jarrestraße 20-24, Karten unter T. 27 09 49 49; www.kampnagel.de