Hamburg. Nach dieser Premiere darf man sagen: Wir brauchen Menschen wie Geschichtenerfinder Christian Berg, gerade in Corona-Zeiten.
„Die Welt braucht Märchen und die Welt braucht Menschen wie dich“, fleht Belle, also „Die Schöne“ (durchweg bezaubernd: Alexandra Kurzeja), ihren Vater, einen mittellosen Geschichtenerfinder, zu Beginn der Aufführung an.
Und nach dieser Premiere in der Komödie Winterhuder Fährhaus darf man sagen: Die Welt braucht Weihnachtsmärchen, in Corona-Zeiten mehr denn je. Die Welt braucht Menschen wie Geschichtenerfinder Christian Berg, der sich mit seiner ganz eigenen Interpretation (Buch und Regie) des Klassikers „Die Schöne und das Biest“ nach Madame Leprince Beaumont in Einfallsreichtum und feinem Wortwitz einmal mehr übertroffen hat.
Bei ihm bleibt in dieser bekannten poetischen Liebesgeschichte gewohnt alles anders. So gibt es anders als in der Disney-Version keinen sprechenden Kerzenleuchter und keine sabbelnde Teekanne, dafür leben auf dem Schloss „zwischen Anderswo und Winterhude“ (Ausstattung: Ulrike Engelbrecht) Hund Bell (Wortspielalarm!) und die entzückende Kakerlake Nr. 5 (Puppenbauer: Matthias Weber), die zu gern so duften würde wie das berühmteste Parfum aus dem Hause Chanel.
Die schöne und das Biest – alles anders in der Berg-Version
Und natürlich haben auch Christian Bergs Kultfiguren Pummelchen, ein dickliches Einhorn, und Rumpelröschen (Berg selbst), der kleine Feenjunge im rosa Tutu, zur großen Freude der kleinen Fans (und davon gab es an diesem Nachmittag viele!) ihre Auftritte.
Rumpelröschen gibt sogar den Rahmen vor, ist er es doch, der den wunderschönen, aber kaltherzigen und bösen Prinzen („ekelhaft, wenn Jungs Mädchenkram tragen“) mit seinem Einmal-Zauberstab in das furchteinflößende Biest (bitte unbedingt die ganz jungen Zuschauer vorab auf das Kostüm vorbereiten!) verwandelt.
Torben Padanyi glänzt in dieser Titelrolle, spielt die Zerrissenheit des einsamen und verstoßenen Monsters, das eigentlich gar keines mehr sein will, sehr überzeugend. Wunderbar sind auch in diesem Jahr wieder die Ohrwürmer, die Bergs kongenialer Bühnenpartner Jan-Christof Scheibe beigesteuert hat.
Besonders schön: „Du bist herzensrelevant“. Denn kein Berg-Musical ohne Botschaft. Hier ist es ein zu Herzen gehender Aufruf gegen den (Instagram-)Schönheitswahn. „Mir ist doch völlig egal, wie du aussiehst“, schreit die Schöne einmal wütend das Biest an. „Im Herzen bist du hässlich, das ist das Problem.“
Auch die Nebenfiguren machen Spaß, die Zofe (Leonie Fuchs) darf mit französischem Akzent aufspielen, und einfach nur wunderbar skurril ist Garance Schlüter-Bazile als exzentrische Madame Professeur Malheur, die das Biest fangen und es damit zu größtmöglichem Ruhm („sogar im Abendblatt, das wäre fein, würde ich auf dem Titel sein“) bringen möchte.
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Die jungen Zuschauer zieht das knapp zweistündige Musical (inklusive 15 Minuten Pause) von der ersten Minute an in seinen Bann und die großen Zuschauer erfreuen sich vor allem an den mit feiner Ironie gespickten Dialogen, die auch Querdenker nicht verschonen. „Papa, stell dir vor, die Welt würde nur aus denen bestehen, die alles doof finden“, sagt Belle. „Die nicht mal wissen, ob Freiheit hinten mit D oder T geschrieben wird, aber laut nach ihr schreien.“ In der Tat, das wäre furchtbar…Zumindest im Märchen gibt es ein glückliches Ende.
"Die Schöne und das Biest", Komödie Winterhuder Fährhaus, Musical für Kinder ab 4 Bis 30.12., Karten ab 16 Euro (Kinder) und 21 Euro (Erwachsene)