Hamburg. Die Hamburger Autorin Maiken Nielsen verarbeitet im Roman „Ein neuer Horizont“ auch ihre eigene Kindheit auf See.

Das Setting: der 1950 ausbrechende Krieg zwischen Nord- und Südkorea, die Hauptfigur: Eleanor Ericsson, kurz Nellie, Reporterin bei der Zeitung „Chicago Post“. Wild entschlossen, sich in dieser lebensgefährlichen, zudem von Männern beherrschten Welt durchzubeißen und aufzuschreiben, was die Welt erfahren muss, damit dieser Krieg aufhört.

Nach demütigenden Erlebnissen an der Front und einem Berufsverbot im eigenen Land wegen des Verdachts, Kommunistin zu sein, fasst sie den mörderischen Plan, im Alleingang die Grenze zu Nordkorea zu passieren und den Amerikanern den Einsatz von Napalm nachzuweisen.

"Ein neuer Horizont": Fiktives Nacherzählen ist extrem dicht

Maiken Nielsen: „Ein neuer Horizont“, Wunderlich Verlag, 496 Seiten, 20 Euro
Maiken Nielsen: „Ein neuer Horizont“, Wunderlich Verlag, 496 Seiten, 20 Euro © wunderlich verlag | Wunderlich Verlag

Die NDR-Autorin und -Reporterin Maiken Nielsen, Enkelin des Hindenburg-Zeppelin-Navigators Christian Nielsen, hat sich, ähnlich wie schon im Vorgängerbuch „Space Girls“, das von Astronautinnen handelte, an realen Figuren orientiert. Allen voran an der US-amerikanischen Kriegsreporterin Marguerite Higgins, die erst im Zweiten Weltkrieg und später über den Korea-Krieg berichtete und dafür mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet wurde. Dieses fiktive Nacherzählen ist extrem spannend und dicht und hätte als Stoff allein genügt.

„Ein neuer Horizont“ mischt aber noch zwei weitere Erzählstränge hinein: Nellies Zwillingsschwester Laura, die als Jugendliche ertrunken ist, von der Nellie aber glaubt, sie sei noch am Leben. Und die Romanze mit dem Kriegsfotografen Jake (eigentlich Jakob) Schmidt, der wiederum seine ganz eigene Geschichte hat. In Berlin geboren, hat Jake seine Familie im Konzentrationslager verloren, das er selbst nur knapp überlebt hat. Er und Nellie finden über alle Grenzen hinweg immer wieder zueinander, und das hat schon etwas arg Kitschiges, obgleich: Solche Liebesgeschichten, so unvorstellbar es klingen mag, hat es sicherlich auch im Koreakrieg gegeben.

Maiken Nielsen verarbeitet persönliche Eindrücke

Das, was das Buch aber tatsächlich so stark macht, sind die persönlichen Erlebnisse und Eindrücke, die Maiken Nielsen hier zum ersten Mal literarisch verarbeitet hat: Die 1965 in Hamburg geborene Autorin verbrachte mehrere Jahre ihrer Kindheit und Jugend auf Frachtschiffen und wurde dort von ihren Eltern unterrichtet. So wie die Romanheldin, deren Vater Kapitän auf einem Reedereischiff ist.

Wenn Nellie davon berichtet, sich wie ein Seestern an Deck auszubreiten und in den nächtlichen Himmel guckt, um nach und nach immer mehr Sterne zu entdecken, wenn das Schiff gegen die Wellen rollt, in der Kombüse Töpfe klappern, sie sich mit Laura auf Seeisch, ihrer Geheimsprache, unterhält, dann geht das ganz nah. Die Schwester indes hat Maiken Nielsen sich, wie sie im Nachwort verrät, „herbeigeschrieben“. Auf die Idee sei sie gekommen, als sie während ihrer Recherchen im Seoraksan Nationalpark nahe der nordkoreanischen Grenze einen Zwillingsfluss sah.

Die Kitschverdachtsmomente tauchen immer mal wieder auf im Buch. Sie sind aber nicht so mächtig, als dass man es beiseitelegen will. Zu beeindruckend sind die Details der Militärmanöver, der Überlebensstrategien der Reporter und die Beschreibungen eines wunderschönen, aber durch Bomben und Kämpfe zerstörten Landes, dass selbst die Verflechtung von deutscher und koreanischer Teilungsgeschichte am Ende gelingt. Und man der Autorin auch das erwartbare Happy End verzeiht.