Hamburg. Von Neuer Musik bis Mozart: Das Ensemble Resonanz zeigte in der Laeiszhalle eine enorme musikalische Spannbreite.
Ganz korrekt war es ja nicht, dass auf der Website der Elbphilharmonie von einer Uraufführung des neuen Werkes „Memory jolts. Flashes of pink in the brain“ der italienischen Komponistin Clara Iannotta am Dienstag in der Laeiszhalle die Rede war. Diese hatte nämlich schon am Sonntag in der Kölner Philharmonie stattgefunden, die das Stück mit in Auftrag gegeben hatte. Clara Iannottas Stück möchte man nach seiner Zweitaufführung durch das Ensemble Resonanz in Hamburg aber bestimmt noch viele weitere Male hören und wünscht ihm weltweite Erstaufführungen, denn es ist wahrhaft fesselnd.
Musiker schlagen mit Bögen auf geöffnete Pappkartons
Iannota, die an einer ähnlichen Erkrankung ihres Hörsinns leidet wie einst Beethoven, hatte das Werk fürs Beethoven-Jahr 2020 geschrieben und wollte den eigenen Erfahrungen der ständig erlebten „Brüche zwischen Gehörtem und Erinnertem“, wie sie sagt, nachforschen. Allein für ein Streichquartett und zwölf weitere, dieses Ensemble umringende Streicherinnen und Streicher konzipiert, heben die „Memory jolts“ mit unwirklich-sphärischen Klängen an, die gar nicht so erscheinen, als würden sie von Streichinstrumenten erzeugt. Erst später treten gestrichene Töne hervor, die man wie in einer Art Zoom differenziert und wahrnehmen kann.
Doch gleich verschwimmen diese Klänge wieder im Geräuschhaften, und einzelne Musikerinnen und Musiker schlagen mit den Bögen auf geöffnete Pappkartons unterschiedlicher Größen. All das wirkt ein wenig, als würde man mit Watte im Ohr und einer dicken Wollmütze über den Ohren in einem U-Bahn-Schacht stehen und Geräusche entfernter Züge und Rangierarbeiten wahrnehmen.
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Mozart detailreich, klar und voller Esprit
Von solchen Assoziationen war man bei Mozarts Fagottkonzert B-Dur KV 191 mit dem Solo-Fagottisten des NDR Elbphilharmonie Orchesters Volker Tessmann dann weit entfernt. Unter der Leitung von Riccardo Minasi, dem „Artist in Residence“ des Ensemble Resonanz, bekam das Publikum eine Interpretation der Extraklasse präsentiert. Detailreich, klar, differenziert in der Dynamik und voller Esprit zum Beispiel bei der Solokadenz im zweiten Satz, die zweimal mit einem Schlusstriller zum Ende führen wollte und dann doch immer wieder abbrach. Klasse war auch Tessmanns Idee, als Zugabe einfach die Sarabande aus Johann Sebastian Bachs Partita für Flöte solo mal auf dem Fagott in tiefer Lage zu blasen.
Karl Amadeus Hartmanns 4. Sinfonie für Streichorchester am Ende, die sich aus einem Klagegestus mit einer gewaltigen Steigerung befreite und doch immer wieder in Depression und ausbruchartige Passagen voller Gewalt zurückfällt, hinterließ in der Interpretation des Ensemble Resonanz und Minasis einen tiefen Eindruck.