Hamburg. Vision String Quartet sorgt für wundgeklatschte Hände. Die vier Musiker bekamen den Preis der Oscar und Vera Ritter-Stiftung.

Ein Bein in der Klassik, das andere im Bereich Jazz-Rock-Pop, und das ganze ohne Schieflage: Diesen Spagat bekommen nicht viele hin. Und schon gar nicht so lässig wie das Vision String Quartet. Das 2012 gegründete Ensemble ist die vielleicht coolste Kammermusik-Band der Gegenwart – und hat jetzt den mit 15.000 Euro dotierten Preis der Oscar und Vera Ritter-Stiftung bekommen. Bei einem umjubelten Konzert in der Laeiszhalle, das nicht nur eingefleischte Quartettfans abfeierten.

Zunächst beim Streichquartett von Maurice Ravel. Hier gaben sich die vier smarten Jungs aus Berlin – schwarzer Anzug zum schwarzen Hemd – noch fast traditionell. Mit echten Noten aus Papier und ohne elektronische Verstärkung, aber auch mit eigenen Ideen zum Farbzauber des Stücks. Hinreißend die feinen Verzögerungen zu Beginn, das geheimnisvolle Raunen im langsamen Satz oder die Pizzicato-Akzente im „Assez vif“, bei dem die Streich- zeitweise zu Zupfinstrumenten werden.

Vision String Quartet rockt Bühne der Laeiszhalle

Schon da zeigte sich das untrügliche Gespür für den Groove der Musik, der im zweiten Teil noch mehr ins Zentrum rückte. Kurz die Kabel eingestöpselt – und, zack, hat das Vision String Quartet einen ganz anderen Sound. Für die selbstgeschriebenen Songs, die überwiegend vom aktuellen Album „Spectrum“ stammen und alle Stilgrenzen munter wegfideln.

Die vier Streicher schruppen, hacken, schaben und klopfen auf den Saiten, sie verwandeln sich vom Quartett in eine Combo mit imaginärem Schlagwerk, Geigen-„Gitarre“ und vokalen Hechel-Einlagen. Ihr Programm mixt volksliedhafte Melodien mit Minimal-Patterns („Copenhagen“), südamerikanische Rhythmen („Samba“) und Country-Jazz („Shoemaker“); alles brillant arrangiert, präzise getimt – und witzig auf die Bühne gebracht. Auch dank der ultratrockenen Moderation vom Geiger Jakob Encke.

Aber der Showanteil bleibt immer dezent, im Mittelpunkt steht die Musik. Und die klingt so knackig, dass es schwerfällt, die Füße still zu halten. Nicht nur in der letzten Zugabe, „Hailstones“, deren rockige Energie der Cellist Leonard Disselhorst mit einem gepflegten Headbanging auslebt. Bogenhaare durchgefetzt, Hände wundgeklatscht. Super Abend.