Hamburg. Paavo Järvi dirigiert die Deutsche Kammerphilharmonie Bremen und befeuert den Wunsch nach einem spektakulären CD-Projekt.

Beim Konzert von Paavo Järvi und seiner Deutschen Kammerphilharmonie Bremen mit drei späten Haydn-Sinfonien am Sonntag in der Elbphilharmonie fühlte man sich schon ein wenig an das überwältigende Beethoven-Projekt dieses Orchesters vor einem guten Jahrzehnt erinnert. Auch bei Beethoven hatte die Kammerphilharmonie damals eine völlig neue Dynamik in der Interpretation klassischer Sinfonien in Gang gesetzt.

Gerade Haydn muss man so lebendig wie möglich und bewusst auch mal ganz unkonventionell spielen, damit der versteckte Witz seiner Sinfonik zur Geltung kommt. Und darin sind der seit fast zwei Jahrzehnten so segensreich für die Kammerphilharmonie Bremen wirkende Künstlerische Leiter Paavo Järvi und sein Orchester ja wahre Meister. Mit ventillosen Barocktrompeten und -hörnern, hölzernen Querflöten und barocken Paukenschlägeln mit Holzkopf war für ein historisches Klangbild schon bei der Sinfonie Hob. I:94 „Mit dem Paukenschlag“ gesorgt.

Elbphilharmonie: Järvi genießt Überraschungsmomente

Rasant nahm Järvi das Vivace assai des Kopfsatzes, wo in jedem Takt die verschmitzte Ironie Haydns hervorblitzte. Im zweiten Satz, der so unschuldsvoll beginnt, um dann mit einem Fortissimo-Schlag die Hörerinnen und Hörer zu schockieren, drehte sich der Maestro zum Publikum um, um die Wirkung dieses Effektes auch optisch zu genießen. Mit einem rhythmischen Kopfnicken und stummem Voraussingen des Menuetto-Themas stimmte er das Orchester noch vor dem Aufschlag auf den dritten Satz ein und bereitete Peter Amann für sein herrliches Fagott-Solo im Mittelteil die Bühne.

Orchester und Dirigent genossen es hör- und sichtbar, wenn Haydn sein Publikum mal wieder mit völlig unerwarteten Generalpausen oder Schlussakkorden überraschte, die sich als Täuschung entpuppten und abrupt in einen anderen Abschnitt überleiteten.

Folgt nun das Haydn-Projekt der Kammerphilharmonie?

Viel schärfer als gewohnt arbeitete Järvi die unterschwellige Aggressivität in der Durchführung des Kopfsatzes der Sinfonie Es-Dur Hob. I:99 heraus, die von Haydns unschlagbarem Frohsinn ja dann gleich wieder relativiert wurde. Und weil Haydn im Finale seiner letzten vollendeten Sinfonie Hob. I:104 „Salomon“ ein kroatisches Volkslied zitiert, spielten die Bremer vor diesem Werk gleich auch noch die Streichorchesterfassung dieses und drei weiterer kroatischer Volkslieder des Briten Gerard McBurney.

Es war ein vergnüglicher Abend, und eigentlich ist die Kammerphilharmonie jetzt aufgefordert, nach ihrem Beethoven-Projekt nun ein 104 Sinfonien starkes Haydn-Projekt folgen zu lassen.