Hamburg. Pianist gab unter 2G-Bedingungen Konzert in der Elbphilharmonie. Ein denkwürdiger Abend, der sehr ungewöhnlich begann.
„Bitte gehen Sie weiter auf die Plaza, Sie können hier nicht stehen bleiben“, fordert ein Elbphilharmonie-Mitarbeiter die Wartenden vor dem Großen Saal auf. Es ist halb acht und die Besucherschlange reicht bis zur Rolltreppe – die Kontrolle der Impfnachweise erfordert Zeit. Ob es überhaupt alle bis zum Konzertbeginn auf ihren Platz schaffen? Doch dann das erste Wunder des Abends: Als um kurz nach 20 Uhr das Saallicht gedimmt wird, ist das Rund tatsächlich gefüllt, dicht an dicht. Ein ungewohnter Anblick, auch weil bei diesem 2G-Konzert ja niemand eine Maske tragen muss – und es auch fast niemand tut.
Dann kommt Pianist Michael Wollny unter donnerndem Applaus auf die Bühne. Und das zweite Wunder nimmt seinen Lauf. „Eigentlich wollte ich vorab gar nichts sagen“, lässt er das Publikum wissen, „aber es ist so unglaublich hier. Danke, dass ihr alle gekommen seid!“ Was folgt ist ein Konzertereignis, das mit einer knapp 40-minütigen Klangreise beginnt.
Ein Song von Singer/Songwriterin Tori Amos, ein Satz einer Sonatine von Rudolf Hindemith (der Bruder von Paul Hindemith), eine Nummer der kanadischen Folkband Timber Timbre: Alles fließt ineinander, das stets im Jazz gründenden Klangspektrum bewegt sich zwischen perlend-impressionistischen Läufen und brachialen Ausbrüchen, bei denen auf schon mal ein ganzer Unterarm auf den Tasten landet.
Elbphilharmonie: Spektakuläres Konzert von Pianist Michael Wollny
Nichts ist an diesem Freitagabend vorhersehbar, aber alles stimmig, man lauscht bisweilen atemlos. Hier hat nicht das Hirn sondern das Herz die Führung übernommen, und wenn Wollny mit einem Lächeln feststellt „Das waren gerade Sachen, die ich vorher auch noch nicht kannte“, glaubt man ihm sofort.
Noch das wunderbare, mit allerlei perkussiven Effekten ausgestattete „Lunar Landscape“ aus seinem Album „Mondenkind“, dann drei Zugaben, bei denen ein Schlaflied das euphorisierte Publikum schließlich wieder auf Normalpuls bringt: Wow! Sein erstes Solokonzert seit anderthalb Jahren, ein Stück zurückgewonnene Normalität, die sich noch längst nicht wieder normal, aber verdammt gut anfühlt. „Ich habe ein paar Alben dabei, kommt doch noch in den 13. Stock, wir dürfen ja wieder...“, verabschiedet sich Wollny. Und tatsächlich ist der Tresen, an dem er signiert, wenig später eng umlagert. Wie schön.