Hamburg. Familie Flöz feierte beim Hamburger Theaterfestival „Feste“. Ein typisches Stück der Berliner Gruppe mit Hang zum Sentimentalen.

Leben im Hinterhof. Der Hausmeister genehmigt sich einen Schuss in den Kaffee, der Verwalter tritt in einen Hundehaufen, eine Obdachlose verkriecht sich unter Müllsäcken. Im Haus derweil wird eine Hochzeit vorbereitet, ein Kommen und Gehen, die Torte will verziert werden, die Hühnchen gerupft, und die Braut ist unglücklich … „Feste“, am Wochenende als Gastspiel beim Hamburger Theaterfestival auf Kampnagel zu erleben, ist ein typisches Stück der Berliner Maskentheatergruppe Familie Flöz: melancholisch, märchenhaft, voller Gespür für Klassenverhältnisse. Und gleichzeitig mit einem Hang zum Sentimentalen.

Sentiment ist nicht grundsätzlich etwas Schlechtes im Theater – im besten Fall schafft es solch eine Dramaturgie, einen mitleiden zu lassen mit den Figuren. Im schlechtesten ist Sentiment indes der einfachste Weg ans Herz des Publikums, dann geht das Stück auf Nummer sicher. Es ist ein schmaler Grat, und bei „Feste“ ist nie ganz klar, auf welcher Seite dieses Grates die Familie Flöz steht.

Kritik: Sentiment verkippt vereinzelt zu Kitsch

Gewiss: Der Blick auf gesellschaftliche Verwerfungen ist im Mikrokosmos der Festgesellschaft klug abgebildet. Wenn die Darsteller so stumm wie mimiklos hinter ihren Masken (von Hajo Schüler) agieren, dann ist das nicht in erster Linie ein Verzicht auf Ausdruck, sondern eine Beschreibung gesellschaftlicher Realitäten. Die Figuren sind alle so gefangen in ihren hierarchischen Positionen, die können gar nicht miteinander reden. Die können höchstens mal böse zischen.

Und wenn dann doch so etwas wie Kommunikation stattfindet, bei einer angedeuteten Umarmung etwa oder wenn die Haushälterin der Obdachlosen stumm eine Schürze reicht und sie so zum Teil der Gemeinschaft macht, dann geht einem natürlich das Herz auf. Wenn dazu allerdings Regisseur Michael Vogel die Musik hochdreht, Klavier und Violine zu schluchzen beginnen, dann ist das ein Stückchen zu viel, dann kippt das Sentiment in den Kitsch. Dass dieses Kippen bei „Feste“ die Ausnahme bleibt, freut einen jedoch.

Theaterkritik: „Feste“ hat viele gelungene Momente

Vieles an „Feste“ ist gelungen – die gnadenlos realistische Bühne von Flix Nolze, das Timing der Auf- und Abgänge, die bittere Kälte zwischen den Figuren und die unerwartete Wärme. Anderes wirkt routiniert: Natürlich ist Slapstick eine große Kunst, aber manchmal wird sie zum Selbstzweck. Wenn jede Stolperfalle auf der Bühne dafür sorgt, dass irgendwann jemand stolpert, dann ist das weniger Überraschung als Konvention. Aber wie kunstvoll hier gestolpert wird, das hat schon wieder was.

Dieses Einerseits-Andererseits prägt den Abend. Einerseits hat man vieles von dem, was Familie Flöz hier macht, schon einmal gesehen. Andererseits sind die eineinhalb Stunden weiterhin so unterhaltsam wie handwerklich tadellos. Eine Gratwanderung.