Hamburg. Der Kinoerfolg „Ziemlich beste Freunde“ punktet mit lebendigen Dialogen, Direktheit und Menschlichkeit. Über das Theaterstück.

Die französische Erfolgsgeschichte „Ziemlich beste Freunde“ wird inzwischen an hunderten Theatern nacherzählt. Es ist aber auch eine selten geglückte Komödie um eine ungleiche Freundschaft, Interkulturalität und Vielfalt der Lebensentwürfe, die der Kinofilm von Eric Toledano und Olivier Nakaché, inspiriert von der Autobiografie Philippe Pozzo di Borgos, auffächert.

Nun gibt es also sogar eine platt- und hochdeutsche Version von Christiane Ehlers und Cornelia Ehlers auf Basis der Bühnenadaption René Heinersdorffs. Milena Paulovics inszeniert „Teemlich beste Frünnen“ im Ohnsorg Theater mit klarem Fokus. Gekonnt umschifft sie die drohenden Stolperfallen der Rührung. Sowohl für Murat Yeginer in der Rolle des vom Hals abwärts gelähmten Kunstsammlers Philip als auch für Christian Dobler als sein migrantischer Pfleger und Lebenshelfer Driss ist es das plattdeutsche Schauspiel-Debüt. Beide meistern die Aufgabe mit Bravour.

Bitterkeit trifft erbarmungslosen Humor

Yeginer gibt Philip mit sehr viel Gespür für die Nöte des vermögenden Kunst- und Musikliebhabers, der sich nach dem Schicksalsschlag aus der Isolation zurückkämpfen muss. Seine Bitterkeit, aber auch sein erbarmungsloser Humor kann er in einen sagenhaft zerknitterten Gesichtsausdruck und herrlich grummelnde Sätze legen.

Immerhin kann er sich mit Natalie (elegant: Julia Kemp) eine aufgeweckte Assistentin leisten. Auch seine Haushälterin Yvonne (positiv: Lara-Maria Wichels) versprüht wohltuend zupackenden Pragmatismus im ansonsten eher verdüsterten Haushalt, für den Ausstatterin Anike Sedello die Drehbühne in kühlem blau-grünen Neo-Art-Déco ausgekleidet hat.

Hauptdarsteller brillieren im Ohnsorg

Der Abend erzählt das Geschehen in Schlaglichtern, die das Wesentliche auf den Punkt bringen. Die Suche nach einem Pfleger gestaltet sich für Philip anfangs mühsam. Den von Oskar Ketelhut hinreißend gespielten, bemitleidenden Anwärter schickt er gleich weg. Lieber probiert er es mit dem Ex-Knacki mit senegalesischen Wurzeln, Driss, der eigentlich nur eine Unterschrift für die Fortzahlung der Stütze durch das Arbeitsamt braucht.

Die beiden Hauptdarsteller füllen ihre Rollen wunderbar aus, auch wenn mancher Zwischenton in der auf Pointen zielenden Fassung untergeht: Hier der gebildete, wohlhabende Kunstkenner in akuter Not, dort der wilde große Junge von der Straße, der schon früh jeden familiären Halt verlor und auf die schiefe Bahn geriet.

Driss entwickelt sich zum unverzichtbaren Pfleger

Es läuft mitunter ein wenig zu glatt, wenn Philip die Warnungen seines Anwalts in den Wind schießt, dass einer, der gelernt habe, emotionslos zu sein, immer so sein würde. „Das ist es ja, was ich will“, entgegnet Philip. „Kein Mitleid.“ Da schaut er dann auch mal großzügig über ein verschwundenes wertvolles Fabergé-Ei aus seiner Sammlung hinweg. Tatsächlich entwickelt sich Driss von dem unbeholfenen Anfänger zu einem Pfleger, der alle Situationen mit Humor, Tatkraft und Lässigkeit meistert.

Christian Dobler verkörpert ihn glaubwürdig mit erfrischender Dynamik. Aber auch der hochkomische Oskar Ketelhut glänzt in diversen Nebenrollen, etwa als schüchterner, in Yvonne verschossener Gärtner oder als gänzlich überforderter Ersatzpfleger. Dass sich Driss von der kühlen – aber nun mal gleichgeschlechtlich orientierten – Natalie angezogen fühlt, wird eher zur Nebensache.

Theaterkritik: Lebendige und direkte Dialoge im Ohnsorg

Bis aus dem Pflegeverhältnis wirkliche Freundschaft wird, gilt es, einige Höhen und Tiefen zu überwinden. Philip bietet Driss nicht nur einen sicheren Job und ein Auskommen, er verschafft ihm auch eine Perspektive, indem er eine seiner Malereien verkauft. Umgekehrt handelt Driss bald über die reine Pflege hinaus, wenn er Philip sexuelle Dienstleistungen durch die ebenfalls von Julia Kemp verkörperte Colette in Form einer Ohrmassage verschafft und ihn zu einer sich entwickelnden Brieffreundschaft ermuntert. Trotzdem wird Driss, von familiären Problemen gebeutelt, Philip – zumindest vorübergehend – verlassen und dann erliegt Paulovics doch noch kurzzeitig der Sentimentalität und legt Klänge aus Michael Nymans Soundtrack zu „Das Piano“ über die Szene.

Der größte Trumpf an der Geschichte ist immer noch, dass ihre scheinbare Märchenhaftigkeit durch den realen Hintergrund beglaubigt ist. Die lebendigen Dialoge, die Direktheit und die Menschlichkeit, die immer zu spüren ist, bringt das engagiert aufspielende Ensemble hier aufs Schönste und Heiterste auf den Punkt.

„Teemlich beste Frünnen“, bis 13.11., Ohnsorg Theater, Heidi-Kabel-Platz 1, Karten unter T. 35 08 03 21 und www.ohnsorg.de