Hamburg. Schon die Mezzosopranistin Catriona Morison betörte in der Laeiszhalle – aber dann kommt die lebende Legende selbst. Über den Abend.

Beim Martha Argerich Festival ist die große Pianistin selbst natürlich Hauptperson, Dreh- und Angelpunkt. Daran herrschte auch am zweiten Abend kein Zweifel. Doch zunächst rückte jemand anders ins Zentrum: Die Mezzosopranistin Catriona Morison, die in der Laeiszhalle eine halbe Stunde lang vokales Glück verströmte.

Schon auf ihrem Ende 2020 erschienenen Album „Folk Songs“ betörte die schottisch-deutsche Sängerin mit warmem Timbre, auch damals begleitet von den Symphonikern Hamburg und ihrem Chef Sylvain Cambreling. Mit denselben Partnern widmete sie sich jetzt dem Zyklus „Les nuits d’été“ („Sommernächte“) von Hector Berlioz – und begeisterte mit einer noch weiter verfeinerten Stimmkunst.

Catriona Morison durchlebt Emotionen aufs Schönste

Die Orchesterlieder von Berlioz spüren den Wonnen und Leiden der Liebe nach. Sie erkunden ein breites Spektrum an Emotionen, die Catriona Morison aufs Schönste durchlebt, im ausdrucksvollen Miteinander von Klang und Körpersprache: Der dunkle Charakter des Lieds „Sur les lagunes“, das den Tod der Geliebten beweint, deutet sich schon in der Mimik der Sängerin an, bevor der erste Ton erklingt. Vom Geist der Rose („Le spectre de la rose“) schwärmt sie textsensibel und mit wunderbar weichem Legato. Traumhaft, wie Morison eine intime Atmosphäre schafft, gebettet auf den duftigen Sound des Orchesters. Sylvain Cambreling ist spürbar in seinem Element, er mischt Flöten- und Geigenstimmen der Symphoniker zu einer Einheit.

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Hinreißend, das alles, abgesehen vom Ausrutscher der Bläser an einer besonders empfindlichen Stelle. Catriona Morison fächert eine reiche Palette an Farben auf, von geraunten Pianonuancen bis zu Momenten von strahlender Leuchtkraft. Ein starker Auftritt, der es durchaus verdient hätte, als einsamer Höhepunkt in Erinnerung zu bleiben. In anderen Konzerten.

Martha Argerich bringt Flügel in Hamburg zum Singen

Aber eben nicht, wenn danach noch eine lebende Legende kommt. Gleich mit den ersten Tönen von Beethovens zweitem Klavierkonzert entfacht Martha Argerich eine Gestaltungsenergie, wie sie nur den allerwenigsten gegeben ist. Sie lässt die verspielten Passagen funkeln und blitzen, sie bringt den Flügel zum Singen, und sie donnert die Akzente in der linken Hand mit einer Kraft in die Saiten, dass einem sofort wieder das Bild der Tastenlöwin vors innere Auge springt.

Schade nur, wie wenig das Orchester ihre Impulse aufnimmt. Argerich zaubert eine Fülle an Ideen aus dem Flügel, sie bietet so viel an – aber das meiste scheint an den Symphonikern abzuprallen, deren Streicher schon zu Beginn, bei Webern, ihre Probleme hatten. Vieles wirkt im Vergleich mit der Solistin behäbig. Das trübt den Gesamteindruck, nicht aber die Begeisterung für Martha Argerich, die vom Publikum minutenlang mit Beifall überschüttet wird.