Hamburg. Was Zwergseeschwalbe und Strandregenpfeifer mit Migration zu tun haben, erzählt der Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer.
Es zwitschert im Thalia Theater. Ein fröhliches Keckern ist zu hören, eine Zwergseeschwalbe, wie man bald erfahren wird: einer von rund zehn Millionen Vögeln, die auf dem Weg ins Winterquartier im Wattenmeer vor der niedersächsischen Küste Rast machen und sich 50 Prozent Gewicht anfressen. Interessant.
Bei den Lessingtagen sind international bedeutende Theatergruppen am Thalia zu Gast: das Teatro Linea de Sombra aus Mexiko etwa. Oder das Berliner Gorki. Außerdem zu sehen: „Zugvogelmusik“. Vom Nationalpark Niedersächsisches Wattenmeer, der bislang nicht wirklich als Theater aufgefallen ist. Allerdings passt der diesjährige inhaltliche Festivalrahmen, der sich mit Klimakatastrophe sowie dem Verhältnis zwischen Europa und globalem Süden auseinandersetzt, gut zum Aufgabenbereich des Nationalparks – die Zugvögel auf Durchreise symbolisieren weltweite Migrationsbewegungen, und die sind für ein Festival, das auf die Veränderungen der Weltgesellschaft reagiert, sicher Thema.
Mischung aus Konzert und ornithologischem Vortrag
Die „Zugvogelmusik“ wird regelmäßig vom Nationalpark veranstaltet: eine Mischung aus Konzert und ornithologischem Vortrag. Zunächst hört man die Zwergseeschwalbe keckern, dann betritt Nationalparks-Leiter Peter Südbeck die Bühne und beschreibt die Besonderheiten dieses „Kobolds auf den Stränden“, dann geht es zur Reiseroute des Tieres nach Westafrika, und dann moderiert Musikmanager Jochen Kühling den ersten Künstler an. In dem Fall den Sänger Leo Delest aus Côte d’Ivoire, wo die Seeschwalbe überwintert. Und der bringt dann, so die Idee, Musik mit, die der Vogel auf seiner Reise hört.
Mit dem Sunderling hört das Thalia-Publikum also das multinationale Ensemble Wakassa, mit der Schneeammer die isländische Sängerin Ragna Gröndal, mit dem Strandregenpfeifer den kamerunischen Musiker Njamy Sitson, der den bei Weltmusik häufig drohenden Exotismus mit freundlicher Ironie auszubremsen weiß. Bringen die Zugvögel aber tatsächlich Musik mit?
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Natürlich nicht, Tiere sind nicht musikalisch. Aber sie stehen für ein positives Migrationsbild. Und wenn man am Ende des Konzerts sieht, wie begeistert die andalusische Flamenco-Tänzerin Laura La Risa, der Berber-Musiker Mokhtar Mechai und das estnische Songwriter-Duo Ruut eine Einheit im Song bilden, muss man feststellen: Die „Zugvogelmusik“ ist als Kulturen verbindendes Konzept ein Geniestreich. Auch wenn sie mit Theater im eigentlichen Sinn wenig zu tun hat.
Lessingtage bis 9.2., www.thalia-theater.de