Hamburg. Die britische Band Fink – wie Künstler, die ihre größten Gemälde aus dem Rahmen nehmen und sie mit beherzten Strichen überpinseln.

Die fünf Männer in Schwarz kommen vor, schauen nochmal an den Orgelpfeifen entlang zur Decke, lächeln wie die Spitzbuben in den Beifall. So haben sie sich das vorgestellt: Die ehrwürdige Laeiszhalle nur für sich und ihr Treiben. Zwei Schlagzeugsets thronen auf der Bühne, ein Fingerzeig auf das, was kommt. Die Indie-Bluesrock-Band Fink hielt am Montag vor fast ausverkauftem Haus eine Messe der mal bittersüß treibenden, mal krachend lauten Melancholie.

Mit "We watch the Stars" reißen die Briten zu Beginn ein schwarzes Loch in andere Sphären auf, "Resurgam" schickt das Publikum hindurch: Doppel-Schlagzeug und Bass formen donnernde Schleifen, erst schabt die Gitarre darüber, dann die Stimme des Fink-Masterminds Fin Greenall. Sie brennt warm wie alter Whiskey in offenen Wunden. Mit "Warm Shadow" zünden Fink eines ihrer früheren Meisterwerke, stapeln wieder Schicht um Schicht, bis zur Explosion im Gewitter aus großen Lichteffekten und harten Schlägen.

Fink: 2006 das erste Mal in Hamburg – in der Prinzenbar

Die Wucht trifft das gemischte Publikum sofort: Die jungen Frauen und bärtigen Männer in den ersten Reihen wippen auf ihren Plätzen, Pärchen im gesetzten Alter lehnen sich aneinander, einzelne Zuhörer stehen auf, tanzen am Rande des Parketts, rufen laut, wenn das Crescendo eine weitere Stufe nimmt.

"Was für eine wundervolle Halle", staunt Sänger Finn Greenall. Der kristallerne Klang der Laeiszhalle lässt die Instrumente ineinandergreifen, aber niemals verbreien. "Wir waren 2006 das erste Mal hier in Hamburg, in der Prinzenbar", sagt Greenall. Damals suchte er noch seine eigene Stimme, hatte die Gitarre über Jahre weggelegt und sich im Trip-Hop versucht, ehe er mit "Biscuits for Breakfast" den Aufstieg in der Riege ernstzunehmender Songwriter begann. "Wir mussten Geld verdienen, damit wir überhaupt zurück zu unseren Frauen fahren konnten", erzählt er. Heute sehe das Musikerleben anders aus, wobei: "Eigentlich ist es derselbe Mist mit größeren Fahrzeugen".

Wie Maler, die ihr fertiges Gemälde überpinseln

Dabei ist das Erscheinen des Über-Albums der Band, "Perfect Darkness", inzwischen schon sieben Jahre her. Fünf Jahre sind es seit "Looking too Closely", dem großen Radio-Hit von Fink, als ihr Markenzeichen noch nur die düster flirrende Akustikgitarrenlinie war. Statt das Erfolgsrezept zu melken, hat Greenall einen anderen Weg genommen: Elektronische Einflüsse, ein schnodderndes Blues-Album, jüngst die neue Platte "Bloom Innocent", die man reif und komplex, aber auch etwas unfokussiert und mäandernd nennen kann.

Fink in der Laeiszhalle
Fink in der Laeiszhalle © Christoph Heinemann

Am Montagabend funktionieren die neuen Songs, weil sie über Minuten wirken können, statt im Spotify-Ungedulds-Overkill nur flüchtig angehört zu werden. Greenall bedankt sich beim Publikum, dass sie offen dafür sind, "nicht nur immer das alte Zeug hören" wollen. Und gibt ihnen dann doch die modernen Klassiker: "Yesterday was Hard on all of Us" und "This is the Thing", aber nicht bloß nach Tönen nachgespielt, sondern ausgedehnt, weitergesponnen, mit wechselnden Instrumenten als Protagonisten. In diesen Momenten sind Fink wie Künstler, die ihre größten Gemälde aus dem Rahmen nehmen und sie mit beherzten Strichen überpinseln.

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"Perfection is boring", sagt Greenall noch, und vergisst wie zum Beweis mehrfach, seine Gitarre vor dem nächsten Song einzustöpseln. In zwei der größten Momente des Abends bleibt das Schlagzeug leise, beim therapeutischen "Cracks Appear" – und der (leider einzigen) Zugabe, dem Chaka-Khan-Cover "Walking in the Sun". "Ich dachte mir, dass das in dieser Halle bestimmt richtig reinhauen würde", sagt Greenall davor. Und genau das tritt ein: ein wohliger Schauer aus Aufmunterung zum Schluss. Das Publikum springt auf zu Standing Ovations. Sie sind verdient.