Hamburg. Der Kammermusikabend in der Elbphilharmonie ist durchdacht, melodiös und hochkultiviert. Und der Cellist spricht goldene Worte.

Endlich sagt es mal einer. In der Elbphilharmonie hat es sich bekanntlich eingebürgert, zwischen Sätzen zu applaudieren. Niemand zischt mehr, wenn das geschieht, es ist ja offenbar nicht zu ändern. Aber dann stellt sich der junge Cellist Gabriel Schwabe auf die Bühne des Kleinen Saals und formuliert sehr freundlich und ohne jede Herablassung die zwingendste aller Begründungen: „Es gibt in klassischen Konzerten die Tradition, zwischen den Sätzen eines Werks nicht zu klatschen. Nun ist eine Tradition zu nichts gut, wenn sie keinen Sinn verfolgt. Der Sinn ist, den Zusammenhang zwischen den Sätzen zu wahren. Ich lade Sie also ein, mit uns zusammen den Spannungsbogen über das ganze Werk aufrechtzuerhalten.“ Goldene Worte. Man sollte sie einrahmen und über die Saaltüren des Konzerthauses hängen.

Und siehe da: Bei der zweite Konzerthälfte herrscht jene gebannte Aufmerksamkeit, die einen Kammermusikabend dieses Niveaus erst zu einem Ausführende und Publikum einenden Erlebnis macht. In der ersten Hälfte dagegen konnte, wer nahe genug dran saß, die Künstler beim Zwischenapplaus noch regelrecht zusammenzucken sehen, so als würde der feine Faden aus Versenkung und höchster Konzentration zerrissen.

Trio-Kammermusik in der Elbphilharmonie – durchdacht und melodiös

Kompromisse wollen sie offenkundig nicht eingehen. Schwabe ist mit der Geigerin Hellen Weiß und dem Pianisten Caspar Frantz in die Elbphilharmonie gekommen, und schon mit der einleitenden Cellokantilene von Mendelssohns Klaviertrio d-Moll machen die drei ihren künstlerischen Anspruch unmissverständlich klar. Weiß und Schwabe musizieren in der schönsten Streichertradition, durchdacht, melodiös, hochkultiviert.

Frantz konturiert manche Figuren ein wenig stärker und holt aus dem Steinway so milde Klangfarben heraus, als hätte er ein historisches Instrument unter den Fingern. Mendelssohns horrend anspruchsvollen Klavierpart spielt er singend und hingegeben an die Streicher, ohne sich je in den Vordergrund zu drängen. Kein Blatt passt zwischen die drei, so schlafwandlerisch spielen sie bis in die feinsten Nuancen zusammen.

Ein Tanz auf dem Vulkan in der Elbphilharmonie

Schwabe ist eine Urgewalt an Expressivität. Jede Phrase erzählt etwas, jedes Motiv hat Sinn und Atem. Weiß wirkt dagegen in ihrer geordneten Perfektion etwas blasser. Bei dem Duo für Violine und Violoncello von Zoltán Kodály aus dem Jahre 1914 hat sie sich dann freigespielt. Es ist faszinierend, wie eng der Komponist die beiden Instrumente verflicht.

Ständig wechseln Hauptstimme und Begleitung, volksmusikhafte rhythmische Elemente mit gezackten Melodien. Ein Tanz auf dem Vulkan, so klingt es, und womöglich hat sich Kodály kurz nach Kriegsausbruch auch so gefühlt, als er das Stück mangels Notenpapier in ein Schulheft notierte.

Trio bringt virtuose Passagen zum Funkeln

Den beschwingten Schluss macht das Klaviertrio B-Dur vor Schubert, entstanden etwa ein Jahr vor dem Tod des Komponisten. Die Drei bringen die virtuosen Passagen zum Funkeln, spannen Schuberts himmelweite Melodiebögen auf und folgen ihm, wenn er in die Abgründe schaut, die ihm in seinem kurzen Leben so bedrohlich nahegerückt sind. Und spielen dem Publikum gleichsam als Gutenachtlied noch einmal das zärtlich-gelöste Andante con moto tranquillo aus dem Mendelssohn-Trio.