Hamburg. Robert Schumanns Lieder, hingezaubert von einer tollen Sängerin Anne Schwanewilms – im zweiten Teil gab es Seltenes aus Frankreich.
Wow. Das muss man erstmal hinkriegen. Einen Ton im zarten Pianissimo ansetzen und dann noch einen Tick weiter zurücknehmen, bis an den Rand der Stille, ohne dass die Stimme bröselt oder ihren Glanz verliert – und dabei immer noch den großen Bogen und den Fluss der Sprache im Blick behalten. Was einem Anne Schwanewilms da im „Zwielicht“ aus Robert Schumanns Liederkreis in die Ohren zauberte, klang wie aus dem Lehrbuch für die höchste Kunst des Liedgesangs. Weil die Sopranistin, weichpfotig unterstützt von Malcolm Martineau am Flügel, selbst die allerfeinsten Nuancen der Eichendorff-Vertonungen aufspürte und sich immer auf eine staunenswerte Stimmkontrolle verlassen konnte.
Schon zu Beginn von Schumanns Zyklus über die Sehnsucht, die Einsamkeit und die dunklen Seiten der Romantik, im Lied „In der Fremde“, hatte Schwanewilms die Zeile „aber Vater und Mutter sind lange tot“ in ein atemberaubendes Pianissimo herunter gedimmt. Als wollte sie dem Publikum im Kleinen Saal der Elbphilharmonie gleich mal klar machen, dass ihr vokales Instrument auch nach über zwei Jahrzehnten auf der Opernbühne mit großen Wagner- und Strauss-Partien nichts von seiner Flexibilität eingebüßt hat. Das gelang ihr mehr als eindrucksvoll. Mit einer breiten Palette an Klangschattierungen beschworen sie und der famose Pianist Malcolm Martineau den Flug der Seele in einer sternklaren Mondnacht; sie erzählten von heimlichen Tränen der Wehmut oder klagten über eine Liebste, die doch schon lange tot ist.
Wer will nörgeln, wenn jemand so klangschön singt?
Natürlich deutet Anne Schwanewilms zwischendrin auch mal kurz das Leuchtpotenzial ihres Silbertimbres an, aber nur, wenn es die Musik verlangt und nie weil sie es selbst nötig hätte. Die Sopranistin konzentriert sich lieber darauf, Schumanns Melodien und Eichendorffs Texte mit all ihren Stimmungswechseln und emotionalen Tiefenschichten, mit ihren Zäsuren und Spannungspausen sensibel abzubilden.
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Wer mäkeln wollte, könnte anmerken, dass der Sopranistin einige Textfehler unterliefen und einzelne Vokale eine Spur verfärbt wirkten – aber wer will schon herumnörgeln, wenn jemand so filigran gestaltet, so klangschön singt und mit seinen Interpretationen auch weniger bekannte Stücke veredelt? So wie die drei Schilflieder des Schweizer Komponisten Othmar Schoeck vom Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts, in denen Schwanewilms auch weit gespannte Intervallschritte zu einer Linie verschmolz, als wären bruchlose Registerwechsel eine Selbstverständlichkeit.
Klänge aus Seide
In der zweiten Hälfte blickte sie nach Frankreich, mit hierzulande eher selten aufgeführten Liedern von Henri Duparc und Claude Debussy. Mit Worten von Gautier, Baudelaire und Debussy selbst säuseln sie von schlafenden Schiffen, von sinkenden Sonnen und den Samtschritten der Nacht und geben der Sängerin noch mehr Raum führ ihr sämiges Legato, in dem sie die Konsonanten ganz eng an die Töne anschmiegt, immer umschmeichelt von den Pastellfarben des Klaviers, die Martineau in die Tasten tupft.
Vielleicht hätten ein paar Kontraste und kantige Konturen dem Programm gut getan und für mehr Abwechslung gesorgt, das kann schon sein. Aber manchmal ist es auch einfach herrlich, auf Klängen wie aus Seide sanft dahin zu schweben.