Hamburg. Viele Besucher konnten den Auftritt der jungen Wilden aus der Schmiede von John Neumeier im Grünspan nur ausschnitthaft verfolgen.

Es ist das Privileg, ja beinahe die Pflicht der Jugend, Neues auszuprobieren. Für die elfte Ausgabe seiner Reihe „Doppelpunkt“ hat sich das Bundesjugendballett mit dem Grünspan erneut auf einen ungewöhnlichen Ort eingelassen. Der Kiez-Club offenbart für den Auftritt der jungen Wilden aus der Schmiede von John Neumeier unter ihrem Künstlerischen Leiter Kevin Hagen früh einen entscheidenden Nachteil: die mangelnde Sicht.

Und so hat sicherlich ein Drittel der Besucher das Geschehen nur ausschnitthaft verfolgen können. Dabei gibt es einiges zu sehen und zu hören. Diverse Klassik-Ensembles mit Musikern, Chor und Solisten spielen auf. Das Programm sorgt mit seinen kurzen Episoden und rasanten Szenenwechseln für Kurzweil.

Da beleuchtet „Mahl3“ zu Mahlers Klavierquartett ein Liebesdreieck in schönster Jules-und-Jim-Manier. Pepijn Gelderman umgarnt Ida Stempelmann in einer Choreografie von Wubkje Kuindersma mit expressivem Ausdruck und großen Gesten. Doch dann mischt sich Gabriel Brito ein. Eine Holzbank wird zur fallenden Barriere. Das Ende ist offen. Besonders lyrisch gerät „In the Blue Garden“ nach einer Choreografie von John Neumeier zu wundervoll schmelzvollen Klängen von Maurice Ravel.

Die ungewöhnlichste Performance mit Unsinns-Gedicht

Musiker des Ensembles des Felix Mendelssohn Jugendorchesters, des The Young ClassX Kammerorchesters und des The Young ClassX Solistenensembles gruppieren sich jeweils neu zusammen. Hier tanzen zwei Paare jeweils eigene Pas de Deux mit einem Tisch, zwei Stühlen und einer Menge Äpfeln. Die klassischen Hebe- und Dreh-Figuren, sie kommen auch in diesem intimen Rahmen mit Eleganz und Grazie schön zur Geltung.

Die ungewöhnlichste Performance ist sicherlich „Dressed up in Tissue Paper“ mit dem vorgetragenen Unsinns-Gedicht aus Lewis Carrolls „Jabberwocky“ und perkussiver Folklore. Gabriel Brito faltet seinen langgliedrigen Körper zum Drachenwesen auseinander. Als sein Widerpart in schwarzem Faltenrock glänzt erneut Pepijn Gelderman mit ungewohnt zeitgenössischen Bewegungen der Choreografin Natalia Horecna.

Immer wieder gibt es harte, für Lebendigkeit sorgende Brüche im Programm. Ungewöhnliches ist darunter wie die „Etude sur Pointe“. Zu einer musikalischen Uraufführung von Marshall McDaniel dehnt und biegt sich Ida Stempelmann in Spitzenschuhen allein an einer freistehenden Ballettstange. Wie sie den Körper um das Gerät schlingt, sich unter ihm her schiebt, es fast wie eine Trapezkünstlerin bespielt, ist höchst eindrucksvoll.

In Raymond Hilberts Gruppenchoreografie „Von 55 Engeln behütet“, glänzt das Ensemble in weißen Gewändern mit expressivem Ausdruck, vor allem Diogo Maia und Airi Suzuki.

Für unterhaltsame, nicht minder engagierte Momente sorgt der Chor mit Pop-Klassikern wie dem Pointer-Sisters-Hit „I’m so Excited“ oder einem Queen-Medley. Schade nur, dass die Kunst der jungen Talente nicht von allen wahrgenommen werden konnte.

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