Hamburg. Balletttänzerin Madoka Sugai wurde befördert. Sie tanzt in der Staatsoper-Saisoneröffnung in “Ein Sommernachtstraum“.
Mit „Don Quixote“ fing alles an. In der Rolle der Kitri wirbelte und sprang Madoka Sugai 2017 mit einer Virtuosität und Ausstrahlung über die Bühne der Hamburger Staatsoper, wie man es selten erlebt. Ein zierliches Kraftpaket, in jeder Bewegung einfach hinreißend! Die Premiere war ein Triumph. Und ein wichtiger Karriereschritt: Etliche Ballettkreationen und Repertoirevorstellungen später ernannte John Neumeier die gerade mal 25-jährige Japanerin unlängst zu einer der Ersten Solistinnen.
Ein regnerischer Dienstag im Ballettzentrum, es wird geprobt. Auf dem Programm: der „Sommernachtstraum“, eine Wiederaufnahme zur Saisoneröffnung am 8. September. Der junge Tänzer Matias Oberlin gibt an diesem Morgen den Lysander. Madoka Sugai ist als Hermia schwer in ihn verliebt. Das Paar vollführt innige Drehungen und Hebefiguren. Lächelt sich an. Reicht einander verstohlene Küsse mit den Händen weiter. Vom Bühnenrand aus beobachtet Ballettmeisterin Laura Cazzaniga mit kritischem Blick das Geschehen. Madoka Sugai empfiehlt sie, weniger mit Kraft zu arbeiten.
Sugai wirkt auf sympathische Art bescheiden
Der Rückenausschnitt von Sugais apartem schwarzen Trikot glänzt bald vor Schweiß. Man sieht der jungen Ballerina die Anstrengung an, sieht, wie sie darum ringt, ihre Energie ein wenig zurückzunehmen. Natürlich führt sie die Bewegungen sauber und akkurat aus, doch jetzt wird am Ausdruck gearbeitet. „Das ist eine Herausforderung, denn Hermia ist gar nicht wie ich, eher das Gegenteil: ruhig, verträumt und hübsch“, lacht Sugai wenige Minuten später im Gespräch. Ihre beanspruchten Füße stecken in gepolsterten Stiefeln mit Tigermuster, die sie warmhalten. „Ich gehe eher aus mir heraus.“
Ehrgeizig muss eine Tänzerin wie sie natürlich sein, doch wirkt sie nie verbissen. Eher auf sympathische Art bescheiden. Die Beförderung zur Ersten Solistin kann sie immer noch nicht recht glauben. „Da ist ein Traum Wirklichkeit geworden. Gleichzeitig ist es irritierend, weil ich noch an so vielen Sachen feilen muss“, sagt Madoka Sugai. „Eigentlich aber ändert sich nichts. Ich arbeite weiter hart für den Erfolg.“
Aufgewachsen inmitten von Reisfeldern und Schweineställen
Der war im Leben von Madoka Sugai nicht unbedingt vorgezeichnet. Aufgewachsen ist sie in der südlich von Tokio gelegenen Stadt Atsugi inmitten von Reisfeldern und Schweineställen. Erste Tanzschritte absolvierte sie als Dreijährige. Als sie ihre ältere Schwester auf der Schulbühne in einem Glitzerkostüm tanzen sah, fragte die kleine Madoka ihre Mutter, ob sie Ballettunterricht nehmen könne. Bald gelangte sie an die Sasaki Mika Ballet Academy, 2012 gewannt sie den Wettbewerb des Prix de Lausanne und wurde Mitglied des Bundesjugendballetts.
„Als ich nach Hamburg kam, fand ich es gerade so aufregend, die Welt zu sehen, dass ich glaubte, ich würde niemals Heimweh bekommen“, sagt sie. „Leider habe ich es doch bekommen.“ Doch der Alltag im Bundesjugendballett bot Ablenkung und viele neue Erfahrungen. „Wir haben in der Natur getanzt, im Gefängnis, im Krankenhaus. Ich habe da vieles erlebt, was einem nicht in allen Kompanien begegnet.“
Seit 2014 im Hamburg Ballett
2014 wechselte sie ins Hamburg Ballett. Seit 2017 tanzte sie als Solistin, und nun ist sie also eine der Ersten Solistinnen. Die technisch überaus anspruchsvolle Rolle der Kitri in „Don Quixote“, für die sie vom Publikum stürmisch bejubelt wurde, lag ihr persönlich ganz besonders. Die sei eine so starke, kraftvolle Frau. Auch in ihrem Lieblingsballett, „Die Kameliendame“, stand sie bereits auf der Bühne.
John Neumeier und seine Ballette erfahren schon seit einiger Zeit in Japan ganz besondere Aufmerksamkeit. Alle zwei Jahre gastiert die Kompanie im Land der aufgehenden Sonne. Ballett sei jetzt ein Trend dort, sagt Madoka Sugai. Der Stil sei gleichwohl eher auf Technik ausgerichtet, anders als in Europa oder den USA, wo der Ausdruck, die Rolle, das Spiel im Vordergrund stehen.
In ihrer Freizeit schaut sie Filme oder geht in die Natur
Wenn Madoka Sugai nicht trainiert, spielt sie gern mit ihrer Katze, schaut Spielfilme auf einem riesigen Fernseher oder geht in die Natur. Längst ist sie tatsächlich in Hamburg angekommen und wohnt wie alle Tänzerinnen und Tänzer unweit des Ballettzentrums im Osten der Stadt. Regelmäßig kommt die Familie zu Besuch. Aber in der Kompanie des Hamburg Balletts hat sie auch eine Art Ersatzfamilie gefunden. „Ich bin froh und dankbar, dass ich Teil dieser schönen Gemeinschaft bin“, sagt Madoka Sugai. Die Zusammenarbeit mit John Neumeier sei extrem inspirierend, gerade weil er so großen Wert auf die zu erzählende Geschichte lege.
Die wenigen Tage bis zur Saisoneröffnung mit „Ein Sommernachtstraum“ sind mit Proben reichlich gefüllt. Der beliebte Klassiker hat in der Ballettversion von John Neumeier bereits 300 Vorstellungen allein in Hamburg erlebt. Ab dem Wochenende werden es noch etliche mehr werden. Madoka Sugai hat in einer früheren Version bereits in einem hautengen Kostüm als Elfe getanzt. Nun ist sie auch reif für die große Rolle der Hermia.
„Ein Sommernachtstraum“ Wiederaufnahme So 8.9., 18.00, Hamburgische Staatsoper, Karten unter T. 35 68 68; weitere Infos unter www.hamburgballett.de
Die Ballett-Saison 2019/2020 in der Hamburger Staatsoper
Mit der Wiederaufnahme von „Ein Sommernachtstraum“ startet am 8. September die Ballettsaison 2019/20. Eine weitere Wiederaufnahme ist „Hamlet“ (ab 29. März 2020). Die Uraufführung der „Glasmenagerie“ nach dem Drama von Tennessee Williams findet bereits am 1. Dezember statt, die Premiere von „A Winter’s Tale“ (nach William Shakespeare), ein Ballett von Christopher Wheeldon, ist für den 14. Juni 2020 programmiert.