Hamburg. Kaum enden wollender Applaus für eine außergewöhnliche Premiere im Ernst Deutsch Theater. Was die Besonderheit war.

„Die ganze Welt ist Bühne“, heißt es in William Shakespeares „Wie es euch gefällt“, „und alle Frauen und Männer bloße Spieler, sie treten auf und gehen wieder ab.“ Also hat Peter Schmidt eine Bühne für die tänzerischen Shakespeare-Variationen des Bundesjugendballetts ins Ernst Deutsch Theater gebaut, eine stilisierte Kopie von Shakespeares Globe-Theater. Auf der die Spieler auftreten und wieder abgehen: David Berton zupft ein paar Töne auf der Laute, Natsuka Abe macht Dehnübungen, Daniel Schütter und Marcelo Ferreira queren plaudernd den Raum. Und Ernst-Deutsch-Theater-Intendantin Isabella Vértes-Schütter zitiert Shakespeares Sonette: „Wo bist du, Muse?“

Diese ersten Minuten geben den Takt vor für die 18 Szenen des gut zweistündigen Abends: Musikerinnen musizieren, Schauspieler spielen, und die Tänzerinnen des Bundesjugendballetts tanzen. Und zwar gemeinsam, aufeinander Bezug nehmend, immer wieder auch die Genres wechselnd.

„Bundesjugendballett“, das klingt zwar nach Amateurtruppe, ist aber das junge Ensemble von John Neumeiers Hamburg Ballett, Mittzwanziger, die alle die Hamburger Ballettschule absolviert haben und entsprechend keine Jugendlichen sind, sondern knallharte Profis. Die die Posen und Schrittfolgen des klassischen Balletts aus dem Effeff beherrschen und künstlerisch mit den Schauspielern aus dem Umfeld des Ernst Deutsch Theaters problemlos mithalten können – die Sprünge von Artem Prokopchuk sind ebenso perfekt gesetzt wie der Spitzentanz von Madeleine Skippen, und wenn Ida-Sofia Stempelmann kurz vor der Pause einen expressiven Charaktertanz hinlegt, dann weiß man, weswegen diesem Ensemble Solopartien auf den ganz großen Bühnen zuzutrauen sind.

Perfektion des Ganzen geschickt ausgehebelt

Wie oft im Neumeier-Kontext liegt bei dieser künstlerisch sicheren Darbietung die Grenze zum Ästhetizismus nahe: Manchmal verlässt sich der von Kevin Haigen konzeptionierte Shakespeare-Abend zu sehr auf die Feier schöner Bewegung und makelloser Körper. Bevor der Abend allerdings tatsächlich kippt, setzen Schauspiel und Musik immer wieder klug positionierte Schrägtöne. Es ist eine gute Entscheidung, hier Künstler zu etwas zu drängen, das eigentlich nicht ihre Grundprofession ist: Schauspielerin Tash Manzungu singt, Klarinettistin Noam Carmon bewegt sich tänzerisch über die Bühne, Tänzer Marcelo Ferreira performt eine in ihrer Drastik verstörende Gewaltszene. Die können das, klar, aber es ist nicht ihr Hauptgeschäft, was die Perfektion des Gezeigten geschickt aushebelt.

Eine echte Shakespeare-Geschichte erzählt der Abend nicht, stattdessen baut er einen Kunst-Kosmos um Motive des elisabethanischen Dichters, in dem sich die unterschiedlichen Künstlerpersönlichkeiten verhältnismäßig frei bewegen. „Wir sind vom Stoff, aus dem die Träume sind“, schließt der Abend mit einem Zitat aus dem „Sturm“, „und unser kleines Leben beginnt und schließt ein Schlaf.“ Kaum enden wollender Applaus.

Bundesjugendballett trifft Shakespeare wieder am 1., 4., 5., 6., 7. und 8.6., läuft bis 5. 7., Ernst Deutsch Theater, Friedrich-Schütter-Platz 1, Karten unter T. 22 70 14 20, weitere Infos: www.bundesjugendballett.de