Hamburg. Ein hochkreatives Spiel mit ausdrucksstarken Puppen. Doch Migration ist mehr Kulisse als echtes Thema des Stücks.

Ein Strand an einer nordafrikanischen Küste. Eine Gruppe Mi­granten wartet auf den Schlepper, der ihnen die sichere Überfahrt versprochen hat: ein dunkelhäutiger Junge, dessen Dorf überfallen wurde. Eine Frau, die ihrem Sohn nachreisen möchte. Ein alter Hundeliebhaber, der darunter leidet, dass auf dem Flüchtlingsboot keine Tiere erlaubt sind. Und Jesus. Wobei letzterer nach Jahren in der Wüste ein wenig durcheinander ist und den Sinn seines Daseins aus dem Blick verloren hat.

So böse und hintergründig kann Figurentheater sein

„Babylon“ vom niederländischen Stuffed Puppet Theatre eröffnet die Erwachsenen-Saison am Hamburger Puppentheater: Einmal pro Monat sind im frisch renovierten Haus Flachsland Arbeiten zu sehen, die sich an ein volljähriges Publikum richten, und die Puppenspielerlegende Neville Tranter beweist, wie böse Figurentheater sein kann, wie unkorrekt, wie hintergründig.

Der religiöse Subtext von „Babylon“ mag den glaubensfernen Kritiker irritieren, obwohl Gott als tüdeliger Alter, der Erzengel Uriel als spießiger Himmels-Buchhalter und der Heiland als verstrahlter Hippie auch nichts für übertrieben fromme Besucher sind. Die Darstellung des Hundefreundes als brabbelnden Araber kann man, wenn nicht als rassistisch, so doch als gedankenlos sehen. Aber: Puppentheater soll zum Widerspruch reizen, entsprechend funktioniert der Abend raffinierter, als man bei der Ankündigung von „Babylon“ als Migrations-Parabel denken würde.

Detailverliebte, lebensgroße Klappmaulpuppen

Wobei hier tatsächlich eine Leerstelle auftritt: Politisch gibt der Abend wenig her, Migration ist mehr Kulisse als echtes Thema des Stücks. Kulisse allerdings für Puppen, die sehenswert sind: detailverliebte, lebensgroße Klappmaulpuppen, mit denen Tranter auf offener Bühne agiert.

Der Spieler tut nicht einmal so, als ob er nicht da wäre, seine Performance ist keine Illusion, sondern hochkreatives Spiel mit ausdrucksstarken Puppen. Ein Spiel, über das sich Erwachsene auch in den kommenden Monaten freuen dürfen, dann bei Aufführungen vom Theatrium Steinau und von der Gruppe Mensch, Puppe! (fks)

Nächste Aufführungen für Erwachsene „Der Hundertjährige, der aus dem Fenster stieg und verschwand“, 26. 10., „Die Physiker“, 16. 11., jeweils 19.30, Hamburger Puppentheater, www.hamburgerpuppentheater.de