Hamburg. Die Premiere von „The Woman in Black“ am English Theatre ist sehenswert – und nichts für Angsthasen.
Das Horror-Genre erfährt dieser Tage eine Renaissance. Nicht nur im Kino, sondern auch im Theater. Ordentlich Spannung verbreitet „The Woman in Black“ an eher ungewöhnlichem Ort im English Theatre. Paul Glaser inszeniert die Stückfassung von Stephen Mallatratt nach der Romanvorlage von Susan Hill und sorgt damit für manch wohligen Schauer, aber auch heftiges Zusammenzucken und spitzes Aufschreien im Zuschauersaal.
Das Stück funktioniert ziemlich gut, muss man sagen, denn anders als im Roman gibt es hier eine theatrale Rahmenhandlung, die sich langsam und äußerst geschickt in morbide Urängste vortastet. Auf der leeren Bühne treffen sich zwei Schauspieler. Arthur Kipps (Séamus Newham), ein älterer Herr, kämpft mit dem Textbuch, in dem er ein Trauma seiner Vergangenheit verarbeiten will. In dem Stück übernimmt ein junger Schauspieler (Angus Villiers-Stuart) sein früheres, jüngeres Ich.
Männerduo erweist sich als absoluter Glücksgriff
Beide treffen sich zunächst auf der bis auf eine Truhe und zwei Stühle leeren Bühne eines kleinen viktorianischen Theaters. Schon hier erweist sich das Männerduo als absoluter Glücksgriff. Séamus Newham beherrscht die feinen Zwischentöne, während Angus Villiers-Stuart überzeugend Ehrgeiz und Eifer der Jugend verkörpert.
Die beiden brillanten Darsteller steigen schließlich in die eigentliche Handlung ein, wobei Villiers-Stuart den dynamischen Anwalt Kipps gibt, der den Nachlass einer mysteriösen Verstorbenen regeln soll. Der Auftrag führt ihn in ein abgelegenes Dorf, dessen Bewohner abwehrende, ja feindselige Reaktionen zeigen. Séamus Newham übernimmt alle übrigen Nebenrollen, wirft sich immer neue Mäntel über, wechselt Hüte, Ton und Stimmlage. Bei der Beerdigung fällt Kipps eine in Schwarz verhüllte Frau auf, die plötzlich wieder verschwindet.
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Nichts für Angsthasen, aber sehenswert
Während er sich durch Berge von Papieren im Herrenhaus wühlt, beginnt das Gruselkabinett. Geräusche, Schritte, Schreie bringen ihn bald um den Verstand. Regisseur Paul Glaser erzielt mit einfachsten Mitteln den maximalen Effekt. Mit blauem Nachtlicht. Mit knallenden Türen. Und mit sehr viel Nebel. Der Nebel ist ein wichtiger Akteur bei dem Familiengeheimnis um zwei Schwestern, eine Adoption und mehrere Todesfälle.
„The Woman in Black“ spielt mit der klassischen Urangst vor dem „Haunted House“, erzählt aber gleichzeitig auch sehr berührend vom Verlust eines geliebten Menschen und den ewig faszinierenden Berührungen zwischen Dies- und Jenseits. Nichts für Angsthasen, aber sehenswert.
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