Hamburg. Der Hamburger Singer-Songwriter bietet auf seinem neuen Album eine starke Schulter an für alle, die verlieren und vermissen.
Catwoman kämpft mit ihrem Kater, Spider-Man hat gerade kein Netz, Batman findet hier keinen Parkplatz, Wonder Woman hat dich versetzt – du suchst überall nach einem Helden, doch hier ist niemand, der einen Clark Kent“, singt Enno Bunger auf seinem neuen Album „Was berührt, das bleibt“. Da kommt doch mal der Ostfriese beim seit 2011 in Hamburg lebenden Sänger und Songschreiber hervor.
In seinen Liedern erscheint kein Weltenretter und alles wird gut. „Superhelden sind Fantasien aus der Kindheit, früher wollte ich sein wie Batman oder Superman. Aber du musst dein eigener Held werden und deine eigene Superkraft entwickeln und das Beste daraus machen“, sagt Enno Bunger beim Treffen im Hotel The George an der Alster. Schon eine starke Schulter zum Anlehnen kann so eine Superkraft sein, denn die brauchte der 32 Jahre alte Musiker in den vergangenen Monaten ebenso, wie er sie anderen bieten musste.
Negativer Lottogewinn
„Das Jahr war der Worst Case, der negative Lottogewinn. Zunächst sind Lena, die Freundin meines besten Freundes, und nur wenige Monate später auch Sarah, die Frau, die ich liebe, an Krebs erkrankt. Sarah ist inzwischen wieder gesund. Lena ist leider gestorben. Das ist die Ausgangslage des Albums.“ Und so ist das Lied „Bucketlist“ als zweites Lied des Albums für Bunger eigentlich das Finale: „Erfülle dir deine Träume, solange du Zeit hast. So banal das klingt, am Sterbebett kann es zu spät sein.“
Persönliche Erfahrungen und Rückschläge, bestimmen seit nunmehr zehn Jahren den Liedcharakter des Altonaers. „Meine Alben sind Therapien für mich, mit ihnen verarbeite ich künstlerisch Krisen und überwinde meine Tiefpunkte.“ Überwiegend sind die Krisen damit tatsächlich abgeschlossen. Wenn die Songs bei Konzerten mit dem Publikum geteilt werden, sind es nicht mehr Bungers Geschichten. Bekannte und Fans schreiben ihm dann, wie sehr sie von Songs getröstet oder berührt worden sind. „Da steht dann in einer SMS, das jemand nach einem persönlichen Verlust nach zwei Jahren endlich weinen konnte. Das ist das größte Kompliment, das ich mir vorstellen kann.“
Einflüsse von Bon Iver und Billy Joel
Nur selten passiert es, dass Bunger die Vergangenheit einholt, ein Lied für den Moment zu traurig ist und spontan aus dem Programm fliegt. Aber ob alle neuen Lieder für das Konzert am 18. Oktober in der Großen Freiheit 36 gemacht sind, wird von Bunger und Band diskutiert. „Da sind schon einige Lieder dabei, die ich derzeit wirklich nicht jeden Abend unbedingt singen muss.“
Dabei passen sie perfekt auf eine große Bühne. Die Arrangements und Kompositionen von Songs wie „Wolken aus Beton“ (kein Hamburg-Lied), „Kalifornien“ oder „One-Life Stand“ sind noch vielseitiger, aufwendiger, elektronischer und progressiver geworden als auf dem Vorgänger „Flüssiges Glück“ (2015). Von Lied zu Lied springen die hörbaren Einflüsse, von 90er-Jahre-Britpop über Bon Iver zu Billy Joel.
Lange Liste mit Vorhaben
Er suchte sich für jeden Song als Rahmen ein jeweiliges Genre heraus, „wobei meine Stimme meine Möglichkeiten begrenzt“. Bunger singt, rappt, es puckern Elektrobeats, Synthies türmen sich auf, aber auch nur Gesang, Klavier und Schlagzeug sind in „Weichzeichnungsfilter“ zu hören. „Wenn das progressiv ist, ja, gut, dann ist es eben Progressive Pop.“
Enno Bungers persönliche „Bucketlist“ mit Vorhaben, Ideen und Plänen ist noch sehr lang. Mal ein Instrumental-Projekt ohne Texte angehen, Reisen, Konzerte. Und etwas, das in der deutschen Songschreiber-Szene mit ihren vielen gefühligen Vorname-Nachname-Barden eher ungewöhnlich ist. „Ich möchte in nächster Zeit wieder mehr politischere Lieder wie ,Wo bleiben die Beschwerden?‘ schreiben. Ich habe da großen Bedarf gerade. Da gibt es einiges klarzustellen und aufzuzeigen.“
Enno Bunger: „Was berührt, das bleibt“ Album (Columbia) im Handel, Konzert: Fr 18.10., Große Freiheit 36, Karten zu 26,- im Vorverkauf; www.ennobunger.de