Hamburg. Bei “Station 17“ spielen Musiker mit und ohne Behinderung. Jetzt feiert das Kollektiv mit prominenten Gästen sein 30-jähriges Bestehen.

Es sind sehr unterschiedliche Persönlichkeiten, die nun bereits seit drei Jahrzehnten in dieser musikalischen Gemeinschaft zusammenwirken. Station 17 ist deshalb auch so etwas wie eine gelebte Utopie. Seit 30 Jahren musizieren in dem Kollektiv Junge und Alte, Sänger und Instrumentalisten, Menschen mit und ohne Behinderung, Extrovertierte und Nachdenk­liche, Grenzgänger und Querdenker. Ende Januar lädt diese sich stets neu erfindende Hamburger Musik-Institution zur großen Jubiläumsgala ins Uebel & Gefährlich. Und da Station 17 jene Band ist, die in dieser Stadt die wohl größte Anzahl an Mitgliedern und Kooperationen aufzuweisen hat, dürfte die Sause im Bunkerclub ein riesengroßes und kunterbuntes Hallo werden.

Angesagt haben sich etwa die Hip-Hopper von Fettes Brot. „Ein Haufen musikalischer Kindsköppe bittet zum Tanz, wird garantiert legendär“, kündigen König Boris, Doktor Renz und Björn Beton an. Und weiter: „Niemand wird ausgeschlossen, niemand muss irgendetwas können, aber alle machen mit. Und am Ende haben alle Spaß dabei. So sollte Kunst sein.“

Das Trio hatte 2009 gemeinsam mit Station 17 den Song „Ohne Regen kein Regenbogen“ geschaffen. Diese funky bis freejazzige Gute-Laune-Nummer erscheint am 1. Februar auf einer Werkschau. Am selben Tag veröffentlicht das Hamburger Label Bureau B das neue, nunmehr elfte Album von Station 17.

Wohngruppe 17 der Stiftung Alsterdorf

Auf „Ausblick“ verdichtet sich die Idee von Station 17 aufs Schönste und Eigensinnigste: Motor der Band ist es seit jeher, frei zu spielen und lustvoll zu experimentieren zwischen Rock, Electro, Jazz, Rap und Pop. Sich nur einem Genre zu verpflichten, würde viel zu sehr einengen. Und so erklingt eine dunkel flirrende Nummer wie „Geisterstunde, Baby“ neben einem meditativen Stück wie „Küsse den Wind“.

Bereits die Gründungsgeschichte von Station 17 sagt viel darüber aus, wie sperrangelweit offen diese Musik das Leben hineinlässt. Initiator Kai Boysen erinnert sich: „In den 80er-Jahren war ich Independent-Musiker. Und um Geld zu verdienen, habe ich nebenbei auf der Wohngruppe 17 der Stiftung Alsterdorf Nachtwache gehalten. Da habe ich dann alle die Geräusche gehört, die die behinderten Menschen von sich geben – gesungen, gesummt, getextet. Das hat sich mit meiner eigenen musikalischen Fantasie vermischt. Das wollte ich hörbar machen.“

Gedacht, getan. Boysen ging mit einigen aus seiner Nachtschicht-Wohngruppe ins Studio und nahm Sounds und Texte auf, um diese mithilfe der damals gerade erschwinglich gewordenen Sampling-Technik zu Musik zu montieren. Holger Czukay, Bassist der Krautrocklegende Can, gab dann den entscheidenden Impuls, erzählt Boysen, sich von der Technik wegzubewegen, hin zu mehr Banddynamik.

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Unterschiedliche Plattenfirmen veröffentlichten die Platten

Das Station-17-Konzept, dass Musiker mit und ohne Behinderung zusammen spielen, besteht bis heute in bester Freigeistigkeit fort. „Spontane Musik“, wie Boysen es nennt, die vor allem ein Ziel hat: „Kommunikation“. Ein Austausch im Klang. Und eine Poesie, die die Welt mal revolutionär einfach erklärt, mal mit feiner Rätselhaftigkeit auflädt. „Wir sprechen uns nicht ab, welche Tonart wir nehmen. Wir erzeugen einfach eine Stimmung. Das waren richtig lange Sessions. Die besten Momente haben wir dann editiert“, erzählt Sebastian Stuber, seit 2002 Keyboarder und Sänger der Band, über die Produktion des neuen Albums im Watt’n-Sound-Studio in Nordfriesland.

Profis wie DJ Koze, Barbara Morgenstern und Die Toten Hosen ließen sich bereits von diesem Popstrudel künstlerisch mitreißen. Und so unterschiedliche Plattenfirmen wie die Phonogram, Whatssofunnyabout und Mute Records, lange Heimat von Depeche Mode, veröffentlichten die Platten dieser außergewöhnlichen Band.

Seit 2000 sind alle Bandmitglieder Berufsmusiker

Drei Jahrzehnte Station 17 erzählen auch die Geschichte dessen, was heute als Inklusion zum sozialen Leben dazugehört. „Die 80er waren eine Zeit, in der Behinderte in der Öffentlichkeit noch nicht so vorkamen wie heutzutage“, erinnert sich Boysen. Längst ist aus Station 17 eine professionelle Band geworden mit Konzertreisen quer durch Europa, mit Merchandising und regelmäßigen Probenzeiten.

„Seit dem Jahr 2000 sind alle Berufsmusiker, die bei dem Träger Alsterarbeit angestellt sind und ihr Geld am Ende des Monats für Kunst bekommen“, sagt Boysen erfreut. Und seit 2005 leitet er mit der barner 16 in Altona ein Künstlerhaus, in dem mehr als 100 Menschen Musik und Filme machen, malen, tanzen und Theater spielen – Station 17 inklusive.

Sänger, Gitarrist und Texter Andreas Dorau hat in den 90er-Jahren das erste Mal mit Station 17 gearbeitet – und bringt das Besondere des Kollektivs so auf den Punkt: „Ich war extrem beeindruckt von der Klarheit und Schönheit der Texte, die viel freier daherkommen, als meine jemals sein könnten.“ Klingt sehr gut.

Station 17: „Werkschau“ (Bureau B).
Station 17: „Werkschau“ (Bureau B). © Station 17 Werkschau | Station 17 Werkschau

„30 Jahre Station 17!“ Geburtstagsgala & Release-Konzert plus Special Guests: Fettes Brot, Michael Rother, Andreas Dorau, Strizi Streuner (Frittenbude), Andreas Spechtl,
Do 31.1.19, 21.00, Uebel & Gefährlich (U Feldstraße), Feldstraße 66, Eintritt 24,80 im Vorverkauf; Internet: www.17rec.de/artists