Hamburg. Unter dem Motto “Atem“ gelingt dem Kammerorchester ein umjubelter Auftritt. Auf dem Programm: Stücke von Bach bis Pergolesi.

Ein Fiepen der Geige, wie ein kecker Vogellaut. Aber so geht’s nicht weiter, im Gegenteil: „Wumms!“ dröhnen die Celli und Bässe, bevor die Streicher Wellen schlagen. Doch auch das ist nur eine von vielen falschen Fährten. Man weiß nie, was als nächstes nicht kommt.

Carl Philipp Emanuel Bach hat es geliebt, Erwartungen zu wecken und gleich wieder wegzugrätschen. Kaum ein anderes Team bürstet seine Kapriolen und Sprünge so knackig in die Saiten, treibt die Kontraste so nervenkitzelnd auf die Spitze, wie das Ensemble Resonanz unter Riccardo Minasi. Sei es auf CD oder live, wie im Kleinen Saal der Elbphilharmonie, bei einer elektrisierenden Aufführung der fünften „Hamburger“ Sinfonie von Bach.

Zwischen fetzig und flüsterleise

Die für das Kammerorchester und seinen Residenzdirigenten so typische Lust am Kontrast prägte auch die Stückauswahl. Nach dem fetzigen frühklassischen Auftakt folgte das umjubelte Konzert seinem Motto „Atem“ mit zwei Werken, zwischen denen nicht nur rund 300 Jahre Musikgeschichte, sondern auch stilistische Welten liegen.

Mark Andres „Kar“ von 2009 klopft, tastet, zupft und schabt am Rande der Stille entlang. Mit flüsterleisen Sounds, die oft ins Geräuschhafte hinüber gleiten und eine Art rauschendes Atmen erzeugen, das allmählich versiegt. Als würde man den Tönen dabei zuhören, wie sie – vom Ensemble Resonanz unendlich zart gestrichen – ihr Leben aushauchen.

Andreas Scholl mit ungewohnten Wacklern

Der spätbarocke Katholik Giovanni Battista Pergolesi nähert sich den Themen Sterben und Tod ganz anders als der zeitgenössische Protestant Mark Andre. In seinem Stabat Mater vertonte Pergolesi das Mitleid für die mitleidende Mutter Maria am Kreuz ihres Sohnes mit einer affektreichen Sprache und herrlichen Melodien. Den bittersüßen Schmerz dieser Musik kosteten die Sopranistin Mari Eriksmoen und der Altus Andreas Scholl stilsicher und klangschön aus – wobei Scholl ein paar ungewohnte Wackler offenbarte.

Aber diese leichten intonatorischen Dellen wurden von der Intensität des Ausdrucks und musikalischen Glücksmomenten wett gemacht. Vor allem kurz vor Schluss, im „Quando corpus morietur“, dessen Reibungen die Sänger mit Minasi wie in Zeitlupe zelebrierten. Jede Note, jeder Tonwechsel und erst recht jede Dissonanz eine kleine Ekstase, gebettet auf den weichen Klang der Streicher. Ein zartes, kaum noch merkliches Hauchen auch hier, bevor der Atem verlischt.