Hamburg. René Polleschs „Cry Baby“ kam als Gastspiel des Deutschen Theaters Berlin zum Hamburger Theaterfestival ans Thalia Theater.

Ein Déjà-vu: Gespielt wird ein typischer Text von René Pollesch, Barbara Steiners Bühne stellt ein Theaterportal dar, und Sophie Rois hyperventiliert. Man schaut anscheinend „Probleme Probleme Probleme“ am Schauspielhaus. Allein: Man ist im Thalia, und gegeben wird Polleschs „Cry Baby“ vom Deutschen Theater Berlin, ein Gastspiel im Rahmen des Hamburger Theaterfestivals. Aber Steiners Bühne, Rois’ Performance, außerdem Tabea Brauns Kostüme – alles wie gehabt.

Pollesch-Inszenierungen bauen aufeinander auf, beim Großmeister des Diskurstheaters werden bestimmte Gedankengänge immer wieder leicht variiert. Sowohl in „Probleme Probleme Probleme“ als auch in „Cry Baby“ geht es um die Entfremdung des Menschen angesichts der flexibilisierten Arbeitswelt, einmal im Theater- und Künstlerkontext, einmal in einer Startup-Welt. In der das Schauspielerquartett aus Rois, Bernd Moss, Christine Groß und Judith Hofmann ziemlich alt aussieht, verglichen mit einem 14-köpfigen Frauenchor, der sich als Team versteht und in Wahrheit ein Exekutionskommando ist. „Hierarchie ist zu einer überkommenen Organisationsform herabgesunken!“, stellt Moss entgeistert fest, und Rois keift die zu allem entschlossenen jungdynamischen Konkurrentinnen an: „Schieß’ doch, Team!“

Sex im Bett – lieber die Lethargie feiern

Die Alten aber haben eine hübsche Strategie gegen die Leistungsanforderungen entwickelt: hemmungslose Müdigkeit. Rois, Groß, Hofmann und bald auch der Chor fläzen sich auf einer Chaiselongue, Moss derweil sitzt in einer Theaterloge und macht, was man im Theater eben so macht – er schläft. „Cry Baby“ entwickelt sich so zur Feier der Faulheit, der Lethargie, der Lazyness.

Gleichzeitig aber wird das Bett auch als utopischer Ort etabliert, der vielleicht nicht von allen Erwartungen befreit ist, aber bei konsequentem Müdigkeitseinssatz doch ein paar Verweigerungsmöglichkeiten bereithält. Ziemlich früh im Stück etwa wird gefordert, dass man im Bett doch gefälligst Sex haben sollte, aber die Protagonistinnen gähnen sich dann doch lieber ins süße Nichtstun hinein, während die Kostüme ein herzlich unsexy Pantoffel-Schlafanzug-Theater aufzeigen. Und Roy Orbison singt dazu: „Crying“.

"Cry Baby" steht seine eigene Schläfrigkeit ein wenig im Weg

Ein wenig aber steht der Inszenierung ihre eigene Schläfrigkeit selbst im Weg. Wo als Widerstand gegen die Anforderungen der Gesellschaft gerade mal das Nichtstun aufgezeigt wird, versandet auch Opposition im „Ich bin so müde“-Geseufze.

Politisch jedenfalls ist die Schauspielhaus-Arbeit „Probleme Probleme Probleme“ schärfer als „Cry Baby“, und das ist wohl der größte Verdienst dieses Berliner Gastspiels: dass man diese zwei gleichzeitig ähnlichen und unterschiedlichen Arbeiten miteinander vergleichen kann. Vergleichen, und zwar vor allem bequem: Bloß nicht überanstrengen!