Hamburg. Elf von zehn Sternchen für die Wiener Philharmoniker, die die besondere Akustik meisterten. Am Ende rappelte es.

Möglicherweise spielen die Wiener Philharmoniker Beethovens „Geschöpfe des Prometheus“-Ouvertüre eher selten. Daher hatte das ungestüm aufbrausende Meisterwerkchen, das Andris Nelsons in der Hamburger Elbphilharmonie als Zugabe dirigierte, den sympathischen Charme des Unselbstverständlichen. Für diese wenigen Minuten rappelte es lebhaft im Zusammenspiel, das perfekt abgezirkelt war.

Dort hatte man am Ende nicht mehr das wohlige Gefühl, einem Luxusartikel gegenüberzusitzen, in dessen DNA Großartigsein einbetoniert ist. Denn so fein und fast selbstverständlich es sich nach gerade mal zwei Jahren Elbphilharmonie anfühlt, dort eines der weltbesten Orchester bei der ehrfurchtsvollen Denkmalspflege zu erleben – Risikosuche hätte risikotapferer klingen dürfen.

Elbphilharmonie: Wiener Philharmoniker machen es sich einfach

Für ihren Hamburger Tournee-Termin mit der Kombination aus dem schwierigen Tripelkonzert und der eindeutigeren Fünften hatten es sich die Wiener aber auf ihrem extrem hohen Beethoven-Niveau extrem einfach gemacht. Andris Nelsons ist aber auch nicht derjenige Dirigent, der bei Beethoven alles auf links drehen würde.

In diesem Konzert, das Nelsons‘ Hamburger ProArte-Residenz in dieser Spielzeit klassisch abrundete, sollte alles vor allem toll und makellos sein. Wer die Wiener Philharmoniker mit Beethoven bestellt, bekommt genau das. Und da die Wiener Philharmoniker sind, wie sie sind, hatten sie keine Probleme, sich vom historischen, vergoldenden Verschmelz-Klang ihres Musikverein-Saals auf die Röntgen-Akustik der Elbphilharmonie umzustellen: wunderbare Balance in den Bläsern, ein Streicher-Sound wie gemalt. Elf von zehn Fleißsternen.

Beethoven-Routinier Rudolf Buchbinder am Klavier

Um bei so viel klassischer Affirmation den Weg des geringen Widerstands nicht unnötig verlassen zu müssen, blieb es beim heiklen Tripelkonzert bei nur einem echten Solisten, dem unerschütterlich jovialen Beethoven-Routinier Rudolf Buchbinder am Klavier. Die anderen Solisten waren übersolide Orchestergrößen: Konzertmeisterin Albena Danailova übernahm das Violin-Drittel, Solo-Cellist Tamás Varga den Rest.

Das war zwar gut für ein geselliges Beisammensein vor erfreutem Publikum, verringerte aber die unverzichtbare Reibung dreier Egos, die dieses Stück benötigt, um nicht ins Ungefähre und Ungefährliche zu verflachen. So wirkte es wie ein verbindliches „Jugend musiziert“-Veteranentreffen. Bei der Fünften war es anders, aber nicht direkt besser. Denn Nelsons konzentrierte sich darauf, diese Sinfonie als Vollendete darzustellen: enorme Präzision, zielstrebige Pracht, erlesenes, trennscharfes Knattern der Kontrabässe im dritten Satz und ein Schluss-Allegro, dessen Brillanz keine Wünsche offenließ. Außer den, überrascht zu werden.