Hamburg. Preisgekrönte US-Fotografin und Filmemacherin Lauren Greenfield stellte entfesselte „Generation Wealth“ in den Deichtorhallen vor.
Wir sehen Frauen mit nackten Brüsten, stark geschminkt und offensichtlich müde von einer langen Nachtschicht, die Dutzende Ein-Dollar-Noten aus riesigen Plastiksäcken fischen. Es sind Stripperinnen des Clubs „Magic City“ in Atlanta, die die Ernte nach einem Geldregen einfahren. So nennt man das verschwenderische Auskippen von Geldscheinen am Ende einer Riesensause mit Champagner, schönen Frauen und schlimmer Rapmusik. Eine von ihnen summt den Eurythmics-Song „Sweet Dreams (Are Made Of This).“
Die Szene stammt aus dem Film „Magic City“ von 2015. Gedreht hat ihn Lauren Greenfield (52). Die preisgekrönte amerikanische Fotografin und Filmemacherin eröffnete gestern ihre beeindruckende Ausstellung „Generation Wealth“ in den Deichtorhallen.
„Es geht mir nicht darum, die Superreichen dieser Welt zu zeigen“, erklärt Lauren Greenfield. „Sondern das Streben nach Reichtum, der zugleich für viele Menschen immer unerreichbarer wird.“ Genügte es in ihrer Elterngeneration noch, mit den Nachbarn mitzuhalten, heiße es heute „Keeping up with the Kardashians“. Tugenden wie Bescheidenheit und soziale Verantwortung seien einer Kultur von Prunk und Maßlosigkeit gewichen.
Das Konzept ist nach der Finanzkrise 2008 entstanden
Die Ausstellung ist das Endprodukt einer 25 Jahre dauernden Reise um die Welt, in der Greenfield als Society-Reporterin und später Chronistin in eigener Sache einer Gesellschaft auf die hochglanzpolierten Karosserien und perfekt manikürten Fingernägel in mondänen Badeorten, Palästen und Boutiquen geschaut hat. Das Konzept sei nach der Finanzkrise 2008 entstanden, „als mir klar wurde, dass all die Geschichten, die ich dokumentiert hatte, Teil einer größeren Erzählung sind – eines moralischen Lehrstücks, an dem wir alle beteiligt sind.“
So nah wie in dieser Schau ist man den Neureichen selten gekommen. Und selten hat diese Welt einen so abgestoßen: das Aufspritzen fleischroter Lippen, jugendliche Sex-Eskapaden bei einer Spring Break-Party, Schönheitswettbewerbe von vierjährigen Lolitas. Die Bilder zeigen, wie der weibliche Körper in einer überhitzten Konsumkultur ein gewaltiger und verlässlicher Profitfaktor geworden ist. In dieser Welt, in der es weit verbreitete und lukrative Möglichkeiten der Sexarbeit für Frauen gibt, ist eben dies zu einer attraktiven Option auf dem Weg zu finanzieller Unabhängigkeit und Sicherheit geworden.
Lauren Greenfield selbst stammt aus der Mittelschicht
„Generation Wealth“ ist eine Reise durch 15 Länder bis zu den „Nouveau Riches“ in China und Russland. Länder, die sich lange gegen den Kapitalismus wehrten, nur um ihn heute um so heftiger auszukosten. Ob beim Shopping oder beim Golfspielen im Luxus-Appartement. Die 200 Fotografien umfassende Schau, die mit Kurzfilmen Greenflields, Interviews der Protagonisten und der Dokumentation „Generation Wealth“ noch weiter angereichert ist, zeigt den amerikanischen Traum, der für die danach Strebenden keineswegs automatisch Freude verheißt.
Denn mag das Bling-Bling-Leben noch so glitzern – den Menschen auf den Fotos ist anzusehen, dass Geld längst nicht auch Glück bedeutet. „Dass ich so jung schon so viel gesehen habe, hat mich abgestumpft. Was andere Leute machen, lässt mich kalt“, berichtet die Studentin Wendy, Tochter eines Filmmoguls in Beverly Hills.
Greenfield wiederum wurde als Spross einer Mittelstandsfamilie während ihrer Schulzeit in die Welt von Schönheitsoperationen und Designerkleidung katapultiert. „Als Teenager wollte ich unbedingt dazugehören“, erzählt sie. Erst später, als Hospitantin bei „National Geographic“, entwickelte sie die nötige kritische Distanz. Ausgehend von ihrem Buch „Fast Forward: Growing Up In the Shadow Of Hollywood“ wurde sie zu einer der renommiertesten Chronistinnen der Jugendkultur und der Wohlhabenden.
Hoffnungsschimmer in den gesammelten Erkenntnissen
Ihr Fazit nach 25 Jahren: „Ich habe von den ehrlichen Menschen auf diesen Fotos gelernt, dass die Jagd nach Reichtum letztlich unbefriedigend ist. Sie ist eine Sucht wie jede andere. Auch wenn ich auf dieser Reise zeitweise das Gefühl hatte, dem Niedergang der westlichen Zivilisation beizuwohnen, fanden sich Hoffnungsschimmer in den unterwegs gesammelten Erkenntnissen.“
Sie kommen etwa in Gestalt von Sam Polk und Florian Homm daher. Die ehemaligen Hedgefonds-Manager haben der Droge Geld abgeschworen: Der eine durch ein Ernährungsprojekt für benachteiligte Familien, der andere durch religiöse Läuterung.
Es gibt offensichtlich einen Ausweg aus diesem Albtraum.