Hamburg. Noch-Direktor Vogtherr konkretisiert Zeitpunkt für Abschied. Echte Höhepunkte sind im Jubiläums-Programm nicht zu finden.
Es war überfällig, dass Christoph Martin Vogtherr (53) sich zu seinem Weggang aus Hamburg äußert. Auf der Jahrespressekonferenz der Kunsthalle am Donnerstag kam der Noch-Direktor auch gleich zum Punkt: „Da verschiedene Termine in der Presse kursieren, möchte ich in diesem Rahmen verkünden, dass ich voraussichtlich im Februar oder März nach Berlin gehen werde.“ Das genaue Datum werde derzeit mit seinem neuen Arbeitgeber, der Schlösserstiftung Berlin-Brandenburg, und der Hamburger Behörde für Kultur und Medien verhandelt.
Bisher kein neuer Direktor
Soweit er wisse, gebe es noch keinen Nachfolger für die Kunsthalle: „Es würde mich wundern, wenn Carsten Brosda schon über einen neuen Direktor entschieden hat. Aber vielleicht verfügt er über wundersame Kräfte“, so Vogtherr. Bis zu einer Entscheidung wird der Kaufmännische Geschäftsführer Norbert Kölle (57) Alleinvorstand der Kunsthalle. Künstlerisch-wissenschaftlich beraten wird er durch Andreas Stolzenburg, Leiter des Kupferstichkabinetts. „Wir arbeiten hier sehr eng im Team zusammen“, so Kölle, der sich auf eine eher kurze Interimslösung einstellt.
Vogtherr verlässt die Kunsthalle in einem für sie und die Stadt bedeutenden Jahr: Im Sommer 1869 wurde Hamburgs wichtigstes Museum gegründet – „als ein Bürgermuseum“, betonte der Geschäftsführer. „Und auf diese Wurzeln möchten wir uns besinnen.“ Im 150. Jubiläumsjahr lautet die Botschaft denn auch bewusst niedrigschwellig „Hamburger Kunsthalle. Für uns alle“.
Die Besucherzahlen gehen kontinuierlich zurück
Wegen der kontinuierlich sinkenden Besucherzahlen – 2017 waren es etwa 350.000, 2018 auch wegen des Rekordsommers nur noch 320.000 – sei es „dringend notwendig, neue Publikumsgruppen anzusprechen“, so Kölle weiter. „Nur fünf Prozent der Hamburger gehen regelmäßig in die Kunsthalle, das müssen wir ändern.“ Jeder, der nach Hamburg komme, solle auch die Kunsthalle besuchen, so das Ziel. Doch wie man das erreichen will, bleibt unklar. Große Ideen fehlen.
Stattdessen wird auf die Sammlung verwiesen, die zu einer der bedeutendsten Nordeuropas gehöre. Damit müsse man viel mehr werben, etwa: „Nur hier können Sie den ‚Wanderer‘ von Caspar David Friedrich sehen“, erklärte Kölle. Diese „wunderbare Sammlung“ sei übrigens auch die „schönste Erinnerung“, die Christoph Martin Vogtherr aus Hamburg mit nach Berlin nehme.
Doch die Fokussierung auf das eigene Inventar, wie sie Kultursenator Carsten Brosda (SPD) von seinen Museumsdirektoren erwartet (um das Fehlen teurer Ankäufe auszugleichen), kann nicht alles sein. Schon gar nicht für ein Haus wie die Kunsthalle.
Ausstellungsprogramm 2019 präsentiert
Was fehlt, ist der große Wurf; das offenbart der Blick auf das Ausstellungsprogramm 2019. Die Jubiläums-Schau „150 Jahre Hamburger Kunsthalle“ (ab 23. August) erzählt die Geschichte des Hauses nach und erklärt, wie ein Museum arbeitet. Was sich hinter „Mein Blick“ verbirgt, davon wollen sich die Macher „noch überraschen lassen“. Kuratorisches Konfetti ist das nicht.
Da kommt eine Kooperation mit dem Kopenhagener Ordrupgaard Museum, das eine der spektakulärsten Sammlungen dänischer Malerei des 19. und 20. Jahrhunderts beherbergt, wie gerufen. „Im Licht des Nordens“ läuft ab 10. Mai. Am 10. November folgt Teil zwei der Zusammenarbeit: Die Ausstellung „Impressionismus“ zeigt mit Claude Monet, Paul Gauguin, Berthe Morisot und Paul Cézanne Meisterwerke aus der dänischen Sammlung. Eine kleine Schau mit großem Namen verspricht „Rembrandt“ zu werden (ab 30. August).
Schon diese Ausstellungsthemen dokumentieren, wie sehr sich die Kunsthalle dem bildungsbürgerlichen Museumsdenken und seinem (kleiner werdenden) Stammpublikum verpflichtet fühlt. Dass es mit einem stets knappen Budget und dazu noch mit einem Schulden-Rucksack aus der vergangenen Umbauphase schwierig ist, ein herausragendes Programm zu gestalten, leuchtet ein. Doch andere, etwa das Museum für Kunst und Gewerbe und die Deichtorhallen zeigen, dass man trotz knapper Kassen mit spannenden, zeitgeistigen Themen wie „Otto“, „68“ oder „Hyper!“, sehr wohl gesellschaftsrelevant und publikumsnah arbeiten kann.
Interessantes nur im Beiprogramm
Ansätze dazu bietet auch die Kunsthalle, nur versteckt sie sie in ihrem Beiprogramm: „Raubkunst. Forschung und Öffentlichkeit“, „Kunst und Kino“, „Kleider machen Leute“, „Körper- und Menschenbilder im Wandel der Zeiten“, „Das Bauhaus – zum 100. Geburtstag“. Warum keine großen Ausstellungen zu diesen Themen?
Immerhin wird die Kunsthalle dieses Jahr wieder mit einer „schwarzen Null“ abschließen und 2019 dringend anstehende Sanierungen im Kupferstichkabinett und in der Galerie der Gegenwart angehen können. Der Bund wird dafür zehn Millionen Euro bereitstellen.
Zur Frühjahrs-Ausstellung „Hamburger Schule“ (ab 12. April) über Künstler, die einst der Gründungsdirektor Alfred Lichtwark förderte, wäre so manch crossmediale Inszenierung – etwa mit Musikern der Hamburger Schule – möglich. Zum 150. Geburtstag hätte man sich doch etwas mehr Esprit und Kreativität gewünscht. Diese Chance ist zumindest für 2019 vertan.
Die oder der Neue am Glockengießerwall wird es in den kommenden Jahren richten müssen.
Museumsinfos
Mit einem Festwochenende am 30. August und 1. September 2019 wird die Hamburger Kunsthalle ihr 150. Jubiläum mit einer Sonderausstellung und vielen Veranstaltungen begehen. Es ist das Gründungsdatum des Museums, das mit seiner Sammlung zu den bedeutendsten in Nordeuropa zählt. Zu diesem Anlass wird auch eine Jubiläumsschrift herausgegeben.
Hamburger Kunsthalle (U/S Hbf.), Glockengießerwall 5, Dienstag bis Sonntag, 10.00 bis 18.00, Donnerstag, 10.00 bis 21.00, Eintritt 14,- (erm. 8,-), www.hamburger-kunsthalle.de