Hamburg. Das Kollektiv stellte sein zum Theatertreffen eingeladenes „Oratorium“ vor, das als formales Gedankenexperiment überzeugt.

Es beginnt mit einem Teleprompter. Direkt wird das Publikum aufgefordert, als „Chor der Mütter ohne Absicherung“ oder als „Männer ohne gesichertes Einkommen“ oder als „Erbinnen und Erben“ den angezeigten Text zu sprechen. Denn alles hängt am Eigentum. Und das wiederum hängt am Geld. Davon wird in She She Pops „Oratorium“ – Untertitel: „Kollektive Andacht zu einem wohlgehüteten Geheimnis“ – manch melancholisches Lied gesungen und manch irritierender Katechismus gelesen. Mit vier ausverkauften Vorstellungen gastierte der soeben mit einer Einladung zum Berliner Theatertreffen geadelte Abend jetzt beim Mitproduzenten Kampnagel.

Mit einer ehrwürdigen Fahnenprozession ziehen nach dem Chor-Prolog die Performenden selbst ein, unter ihnen die Gründungsmitglieder Mieke Matzke, Johanna Freiburg und Sebastian Bark des in diesem Jahr 25 Jahre bestehenden Kollektivs. Weitere Fahnenträger wechseln von Stadt zu Stadt.

Das Individuelle wird ins Universelle übertragen

Wie in all ihren Arbeiten, gehen die Theatermacherinnen von She She Pop von einer ganz persönlichen Überlegung aus. Irgendwann stellten die sieben Mitglieder fest, dass das Thema Erbschaft für einige von ihnen relevant wird – und für andere eben nicht. Anlass, in „Oratorium“ das Individuelle ins Universelle zu übertragen. Sebastian Bark outet sich da als „Erbe“ und „Spross einer Industriellenfamilie“, der aber dadurch erst in die Lage versetzt werde, sich „diesen sozialen Theaterquatsch“ erlauben zu können.

Johanna Freiburg gibt die „Fabel von der Entmietung“ zum Besten, in der sie als namenlose Schriftstellerin am Prenzlauer Berg einen aufdringlich parfümierten Immobilienmakler und etliche gutsituierte Käufer durch ihre privaten Räume schleusen muss. Am Ende bleibt ihr nur die Wahl, auszuziehen, oder selbst mit horrend hohem Kredit auf den Schultern an der Mieterhöhungs-Spirale in der Top-Lage mitzumischen.

Der Abend überzeugt als formales Gedankenexperiment

Natürlich ist alles auf der Bühne künstlerische Behauptung, aber mit einem sicher nicht unerheblichen Wahrheitskern. In „Oratorium“ wird die Realität im Sinne eines Brechtschen Lehrstücks überhöht. Auf einer Länge von 90 Minuten überzeugt der Abend vor allem als formales Gedankenexperiment.

Die Ironie hält den Zuschauer bei der Stange bei diesem am Ende trotz auch schöner Trompeten- und Xylophon-Klänge doch recht spröden Deklamations-Abend. Es bleibt bei einem moralisierenden Gegeneinander, beim Neid auf der einen und Gewissensbissen auf der anderen Seite. Die Form allerdings ist bemerkenswert. Und damit durchaus theatertreffenwürdig.