Hamburg. Das Ensemble um Sänger Noureddine Khourchid gastierte für das Festival in der Elbphilharmonie.

In den Touristenhotels von Antalya bekommt man immer wieder Angebote für Auftritte „tanzender Derwische“; in der Regel handelt es sich hier um kommerzielle Shows der typischen Derwisch-Drehtänze. Mit dem traditionellen Tanz Sema hat das aber nichts zu tun: Der ist eine religiöse Trance der Mitglieder des sufistischen Derwisch-Ordens, für Publikum ist er eigentlich nicht gemacht. Entsprechend war auch die Eröffnung des Lux-Aeterna-Festivals in der Elbphilharmonie ein Kompromiss.

Das Ensemble um Sänger Noureddine Khourchid kommt zwar aus einem religiösen Umfeld, aus der Ommayyaden-Moschee Damaskus, und auch das Festival hat sich bis 27. Februar der Präsentation spiritueller Musik verschrieben. Tatsächlich aber ist das Publikum im Konzerthaus weniger an Erleuchtung interessiert als an ästhetischem Genuss. Den tieferen Sinn erfährt ein Tänzer wie Hatem Al-Jamal, der sich zu den hypnotischen Klängen des siebenköpfigen Ensembles minutenlang gegen den Uhrzeigersinn dreht; das Publikum schaut ihm bei dieser Erfahrung nur zu.

Der "Technoschuppen auf St. Pauli" zum Vergleich

Musikethnologe Christian Koehn erklärte in seiner Einführung, dass westliche Kunstmusik meist rational analysiert werde, während man in der islamischen Welt Musik deutlich emotionaler höre. Dass dies nicht nur auf den Nahen Osten zutreffen würde, beschrieb der Wissenschaftler mit einem etwas schiefen Vergleich: „Wenn Sie um halb vier in einen Technoschuppen auf St. Pauli gehen, werden Sie sehen, dass auch bei uns die Wahrnehmung von Musik nicht nur über den Verstand funktioniert.“

Angesichts der Wortwahl war Koehn wohl schon lange nicht mehr in einem „Technoschuppen“, inhaltlich ist da aber was dran. Es mag ästhetisch spannend sein, den Tänzer im Club zu beobachten, aber: Darum geht es gar nicht. Ob der Technofan sich in der Ekstase verliert, oder ob der Sufi in eine Trance gerät, die für ihn einen Dialog mit Gott darstellt, kommt aufs Gleiche raus – der Zuschauer bleibt im Grunde ausgeschlossen.

Zum Schluss wehte ein Hauch Bierzelt durch die Elbphilharmonie

Musikalisch jedenfalls erwies sich der Abend als weit zugänglicher als Koehn mit seiner Einführung in die Tonlehre Maqam andeutete. Zu hören gab es lange, meditative Stücke, meist eingeleitet mit einer von Mohamad Kodmanie gespielten Lautenmelodie, bis dann Leadgesang, Chor und Rhythmussektion übernahmen und so die musikalische Basis für den Sema-Drehtanz bildeten. Die Elbphilharmonie, die mit szenischen Präsentationen oft fremdelt, erwies sich hier als geeigneter Rahmen, und das Publikum zeigte sich begeistert.

So begeistert, dass es sich zur Zugabe zum fröhlichen Mitklatschen hinreißen ließ. Die Musiker schienen angetan von dieser Sympathiebekundung, allein: Ein wenig befremdlich kam diese in Richtung Bierzeltatmosphäre tendierende Stimmung doch rüber. Zur Erinnerung: Beim Derwischtanz geht es eigentlich um etwas ganz Anderes.