Hamburg. Nach dem 40-minütigen Marathon durch das fulminante Stück bat Pianist Florian Heinisch um Verständnis: Er könne nicht mehr.
Eigentlich hätte er ja noch eine Zugabe vorbereitet. Aber jetzt könne er einfach nicht mehr, gestand Florian Heinisch am Ende seines umjubelten Soloabends im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Das war nicht nur sympathisch, sondern auch allzu verständlich. Schließlich hatte der junge Pianist gerade Beethovens Hammerklavier-Sonate bewältigt.
Ein gut 40-minütiger Marathon, der gerne mal steil bergauf führt und über weite Strecken im Vollsprint absolviert werden muss. Eine krasse Herausforderung. Doch Heinisch meisterte sie mit Kraft, Kondition und geistiger Klarheit und machte die Aufführung zum packenden Erlebnis.
Den Hörern entfährt ein Ausruf des Schreckens
Von den wuchtigen Akkorden, mit denen sich die Sonate gleich zu Beginn Respekt erdonnert, führte er über das rasend schnelle Scherzo in die emotionalen Abgründe des langsamen Satzes, bevor er sich in die abschließende Fuge hinein grub. Trennscharf und transparent modellierte Heinisch die Linien, die Beethoven zu immer dichteren Themengeflechten verknäuelt, er formte scharfkantige Kontraste und dramatische Spannungsverläufe und konfrontierte die Hörer so mit der beklemmenden Intensität des Stücks.
Die Hammerklaviersonate dringt in Extrembereiche des Ausdrucks und des menschlich gerade noch so Machbaren vor, sie treibt den Pianisten an seine Grenzen und manchmal auch darüber hinaus. Das zu spüren, dieses Ringen mit der Materie, das immer die Möglichkeit des Scheiterns birgt, ist keine Schwäche, sondern Teil der großartigen Zumutung durch das Werk. Als die finale Fuge an einer Stelle mitten in einem dissonanten Tumult abreißt, entfährt vielen Hörern ein Ausruf des Schreckens. Ja, genau so schockierend modern ist diese Musik noch heute.
Wer sich verausgabt, hat sie verstanden
Die Hammerklaviersonate war Ziel- und Höhepunkt eines reinen Beethoven-Programms, mit dem Florian Heinisch der geheimnisvollen „ unsterblichen Geliebten“ des Komponisten nachspürte. Auch im ersten Teil, mit der E-Dur-Sonate, den Sechs Bagatellen und dem Andante favori, fand der Wahl-Hamburger eine sehr gute Balance aus Disziplin und Freiheit. Er zeichnete die Charaktere prägnant und plastisch. Dass er den Flügel mitunter noch etwas mehr singen lassen könnte, ist nicht mehr als eine Randnotiz nach dem starken Elbphilharmonie-Debüt. Wer sich bei dieser Musik bis zur Erschöpfung verausgabt, hat wirklich verstanden, worum es geht.