Hamburg. „Gips oder Wie ich an einem einzigen Tag die Welt reparierte“erzählt unterhaltsam von Trennung und Liebe.

Kinder sind konservativ. Nicht im politischen Sinn, aber privat: Mit offenen Beziehungsformen ­haben sie ihre Probleme, Papa und Mama sollen bitte schön zusammenbleiben. Auch wenn sie sich nicht mehr lieben. Auch wenn Mama und Papa mit „Glücklich verheiratet – glücklich getrennt“ einen klugen Ratgeber gelesen haben, auch wenn sie entschieden haben, die Kinder in den Trennungsprozess zu ­integrieren: Die Kinder finden die Situation doof. Und haben trotzdem keine Wahl. In Zukunft pendeln sie mit Hin-und-her-Tasche, drei Tage die Woche Papa, vier Tage Mama. Gleichberechtigt. Vernünftig. Doof.

Anna Woltz’ 2017 auch mit dem „Luchs des Monats“ und der „Silbernen Feder“ ausgezeichnetes Jugendbuch „Gips oder Wie ich an einem einzigen Tag die Welt reparierte“ erzählt von einer Trennung konsequent aus Kindersicht: Die zwölfjährige Fitz und ihre kleinere Schwester Bente sind Trennungskinder, und insbesondere Fitz tut sich schwer mit der Situation. Als Bente nach einem Unfall ins Krankenhaus kommt, wird sie aktiv: Wenn ein Gipsverband Bentes Finger heilen kann, dann lässt sich mit Gips womöglich auch die Beziehung der Eltern kitten? Spoiler: Klappt natürlich nicht. Aber Fitz wird ein Stück weit erwachsener. Und unter Umständen kriegt jemand anders das besser hin mit der Liebe?

Lust am Boulevard

In seiner Bühnenfassung am Jungen Schauspielhaus hat Klaus Schumacher das Geschehen fast ausschließlich auf Klinikszenen konzentriert. Gute Entscheidung: In einem Großkrankenhaus ähneln sich die Stationen. Rezeption, Flur, Wartezone; da kann man im identischen Bühnenbild, gestaltet von Ka­trin Plötzky, die gesamte Handlung abspulen und nur durch die Stockwerksangaben Ortswechsel andeuten. Zumal die bei Sophia Vogel hübsch zwischen Verwirrung und Zielstrebigkeit schillernde Fitz feststellt: „Ich habe schon lange keine Ahnung mehr, wo wir hier sind. Irgendwie sieht alles gleich aus.“

Klaus Schumacher hat schon mehrmals nachgewiesen, dass er als Regisseur auch installative und performative Formen beherrscht; hier aber arbeitet er sehr textdienlich: Die Geschichte wird gleichzeitig mit Lust am Boulevard und großem Ernst erzählt, Ausbrüche ins Regietheater leistet sich „Gips“ nur mit so originellen wie sparsamen Anleihen an Comic-Ästhetik.

Tod, Humor und Liebe

Ansonsten tragen die Schauspieler die Produktion, Kristina Nadj als Bente und als ernsthaft erkrankte Primula, Gabriel Kähler als Adam, der bei Fitz eine Ahnung weckt, dass das Leben womöglich noch mehr Abenteuer bereithält als nur die Trennung der Eltern, nicht zuletzt Hermann Book und Sergej Gößner als großartig komödiantisches Pflegerduo.

Schumacher erzählt „Gips“ mit viel Humor und nimmt gleichzeitig Tod und Krankheit ernst, er erzählt von Liebe und denkt trotzdem auch an deren Ende. Das ist nicht wenig für eine Inszenierung, die so leichtfüßig und unterhaltsam daherkommt wie diese. Und dass er ausgerechnet in den letzten ­Minuten den Rhythmus nicht ganz einzuhalten weiß und in ein unpassend harmonisches Finale einbiegt, das ist angesichts der Qualität der vorangegangenen 90 Minuten mehr als lässlich. Kitsch braucht Schumachers Theater eigentlich keinen, um zu wirken.

„Gips oder ...“ wieder Mi 30./ Do 31. 1.
und Mi 27./Do 28. 2., jew. 10.30, Deutsches Schauspielhaus/Große Probebühne (U/S Hbf.), Kirchenallee 39, Karten unter T. 24 87 13