Hamburg. Nachdenklich: Schauspieler Michael Weber lässt das Leben Ebermanns Revue passieren – dieser erhielt einst sogar Morddrohungen.
Thomas Ebermann begrüßt einen Bekannten im Malersaal-Foyer des Schauspielhauses: „Ich gehe noch schnell eine rauchen!“ – „Das ist das Einzige, was du mit Helmut Schmidt gemein hast!“, ruft ihm der Bekannte hinterher. Er hat sich vom Titel des Abends „Thomas Ebermann beleidigt Helmut Schmidt“ täuschen lassen. Er glaubt, gleich werde über mehrere Stunden hinweg der Altbundeskanzler gebasht. Falsch gedacht.
„Thomas Ebermann beleidigt Helmut Schmidt“ läuft im Rahmen des hauseigenen Diskursformats „FAQ-Room“. Darin lässt Schauspielhaus-Ensemblemitglied Michael Weber das Leben des mittlerweile 68-Jährigen Ebermann Revue passieren: Jugend in proletarischen Verhältnissen in Bergedorf, Mitglied im Kommunistischen Bund, Bundeswehr, Mitbegründer der Grünen, Parteiaustritt nach dem Zerwürfnis mit den Realos 1990, seither unter anderem als Autor und Regisseur am Polittbüro Musterknabe undogmatischer Linksintellektualität.
Es gab Morddrohungen
Zwischendrin die Passage, die dem Abend den Titel gibt: Wie Ebermann 1983 als Abgeordneter eine Rede zur Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Schmidt hielt und dabei dessen Vergangenheit und autoritäres, vermeintlich undemokratisches Weltbild anprangerte. „Helmut Schmidt in Hamburg beleidigt!“ titelte „Bild“ damals, was Ebermann ungefähr 300 Morddrohungen einbrachte und ihm zeitweise die poplinke Bohème-Unbeschwertheit nahm.
Nichtsdestotrotz: „Es gibt eine autoritäre, faschistoide Linie innerhalb der Sozialdemokratie: von Gustav Noske über Schmidt bis Thilo Sarrazin“, glaubt er bis heute. Was bewusst böse formuliert ist und zeigt, wie hart dieser scharfe Denker zuschlagen kann. Dabei ist Ebermann niemand, der verletzt um der Verletzung willen. Die drei Stunden Gespräch sind vor allem geprägt von Nachdenklichkeit, von der Vergeblichkeit linker Politik angesichts des Rechtsrucks in ehemaligen linken Sehnsuchtsländern wie Brasilien und Italien, von der Renaissance eines rechten Kampfbegriffs wie „Heimat“ (über die Ebermann aktuell ein Buch schreibt). Und vor allem von einer Skepsis über die eigene Biografie: „Man darf nicht zu viel launige Geschichten erzählen! Das wird ganz schnell zu, ,Opa erzählt von seinen Erfolgen‘!“ Aber Ebermann ist ein begnadeter Geschichtenerzähler, also erzählt er trotzdem.
Ein bisschen eitel
Und weil er auch ein bisschen eitel ist, läuft er manchmal Gefahr, in die Selbstüberhöhung zu rutschen. Er rettet sich, indem er einen Tocotronic-Song zitiert: „Im Zweifel für den Zweifel“. Denn das ist linkes Denken für Ebermann vor allem: nicht mit Zweifeln aufzuhören. Nicht zuletzt an sich selbst. Auf die Frage Webers, wofür er sich eigentlich schämen würde, lange darüber zu sprechen, dass er den Zusammenhang zwischen Antisemitismus und Antizionismus vernachlässigt habe, das jedenfalls zeugt von großer Souveränität.
Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Version des Textes hieß es, es sei auch um die "SS-Vergangenheit" von Schmidt gegangen. Richtig ist: Schmidt war in der Wehrmacht, nicht in der SS.