Der Soloabend mit Saleem Ashkar machte klar: Der palästinensisch-israelische Musiker ist ein großer Poet am Flügel.
Sein Bach klang klar und transparent, aber nicht kühl. Sein Messiaen sinnlich und eruptiv. Alles auf den Punkt, alles stilsicher interpretiert. Aber was den Soloabend mit Saleem Ashkar im Kleinen Saal der Elbphilharmonie zum Ereignis machte, war schon vor der Pause passiert.
Der palästinensisch-israelische Pianist hatte das Genre des Präludiums in seinem Programm vom Vorspiel zur Hauptsache gemacht und das Konzert mit dem ersten Buch der Préludes von Claude Debussy begonnen. Gar nicht so einfach, ein Publikum mit diesem Zyklus gut vierzig Minuten bei der Stange zu halten. Schließlich verzichtet Debussy weitgehend auf dramatische Steigerungen und virtuose Brillanz. Stattdessen malt er in den zwölf Stücken filigrane Stimmungsbilder, die vor allem auf pianistische Nuancen setzen.
Ashkar ist kein Tastenlöwe, sondern ein Zauberer
Und da ist Saleem Ashkar ganz in seinem Element. Er fesselte das Publikum mit einem breiten Spektrum an Klangschattierungen und reicher Fantasie. Mitunter hatte sein Auftritt fast etwas Magisches – auch, weil ihm der physische Aufwand kaum anzumerken ist. Der schlanke Pianist wühlt sich nicht vornüber gebeugt in sein Instrument hinein wie manche Kollegen, sondern sitzt meist aufrecht, selbst in wuchtigen Forte-Passagen. Als würde er seine Interpretationen vor allem mit der Kraft des Geistes formen.
Ashkar ist kein Tastenlöwe, sondern ein Zauberer, der die pittoresken Szenen der Préludes am inneren Auge des Hörers vorbei ziehen lässt. Die „Tänzerinnen Delphis,“, deren Schritte sich in gravitätischen Akkorden spiegeln. Oder die „unterbrochene Serenade“, in der die spanischen Rhythmen immer wieder ins Stocken geraten.
Ein großer Poet am Flügel
Hier tritt ein außergewöhnliches Talent von Saleem Ashkar besonders deutlich zu Tage: Sein Gespür für das Timing, für minimale Staus und Beschleunigungen im Tempo. Dieses Gespür erlaubt es ihm, jedes Detail sorgsam zu modellieren und trotzdem im Fluss zu bleiben. Wie im zehnten Prélude, „La cathédrale engloutie“, das die geheimnisvolle Aura einer versunkenen Kathedrale beschwört und unter den Händen von Ashkar einen unglaublichen Sog entfachte. Das war richtig, richtig stark.
Der Eindruck, den sein Debussy hinterließ, verfestigte sich mit Bach und Messiaen im zweiten Teil und mit den Zugaben von Schumann und Chopin: da sitzt ein großer Poet am Flügel.