Hamburg. “Protest“ in der Elbphilharmonie: Ensemble Resonanz mit der 14. Sinfonie von Dmitri Schostakowitsch im Großen Saal.
Eben hat die Solobratschistin noch einen Lacher provoziert, indem sie nach dem Auftreten wieder von der Bühne huschte; sie hatte die Noten vergessen. Nun bringt sie das Herz ebenjener Noten zum Schlagen mit ein paar dunklen, atmenden Tönen. Arthur Honegger hat den ersten Satz seiner Zweiten Sinfonie um dieses aufsteigende Seufzermotiv herumgebaut.
Protest gegen den Tod
„Protest“ hat das Ensemble Resonanz hat sein Konzert im Großen Saal der Elbphilharmonie überschrieben. Aber erst im Lauf des Abends werden wir es mit dem Herzen begreifen, wogegen sich dieser Protest richtet: gegen den Tod. Der als solcher das Bewusstsein der eigenen Vergeblichkeit in sich trägt. So stimmt der Solocellist im langsamen Satz der Honegger-Sinfonie einen großen Trauergesang an, und der Trompeter Jeroen Berwaerts färbt die ausgelassene Motorik des Schlusssatzes urplötzlich religiös ein mit einer choralartigen Melodie. Andris Poga eskortiert das Orchester mit einem untrüglichen Gespür für die Feinheiten von Zeit und Sprache durch das selten gespielte Werk.
Kein Trost. Nirgends
Dmitri Schostakowitsch liefert sich in seiner 14. Sinfonie einen wahren Schlagabtausch mit dem Tod. Er hat sich dafür mit zwei Gesangsstimmen und zwei Schlagzeugern munitioniert – und mit einer Textauswahl von markerschütternder Wucht. Die Gedichte von García Lorca, Apollinaire, Rilke spüren dem Phänomen des Todes in jede Falte nach, bis dahin, wo es kaum noch zu ertragen ist, bis zu Hass, Selbstmord und Fäulnis. Die Sopranistin Asmik Grigorian und der Bariton Matthias Goerne liefern sich der Musik mit einer Vorbehaltlosigkeit aus, die den ganzen Raum unter Spannung setzt. Kein Trost, nirgends.
„Wenn wir / uns mitten im Leben meinen, / wagt er zu weinen / mitten in uns“, singen die beiden in Rilkes „Schlussstück“. Vielleicht geht es ja am Ende nur um das Bewusstsein? Wer weiß es?