Hamburg. „De dresseerte Mann“ feierte mit Gesang eine gelungene plattdeutsche Erstaufführung. Ob das Alice Schwarzer schmeckt?

Kinder, wie die Zeit vergeht! Fast fünf Jahrzehnte ist es her, dass Esther Vilar ihr Buch „Der dressierte Mann“ schrieb. Die Kerle werden durch die Frauen unterdrückt, meinte die Autorin. Der Roman wurde nicht nur ein Bestseller, er geriet zur Streitschrift. Das Buch galt manchen Frauen, allen voran der späteren „Emma“-Gründerin Alice Schwarzer, als anti-feministisch, weil zu männerfreundlich. Und die ­Konflikte zwischen Männern und Frauen existieren, im Grundsatz jedenfalls, bis heute.

Und so hat sich 2019 auch das Ohnsorg-Theater des Beziehungsklassikers angenommen. Die plattdeutsche Erstaufführung von „De dresseerte Mann“ wurde am Sonntagabend vom Publikum mit minutenlangem Beifall gefeiert.

Ensemble und das Regieteam können sich auf John von Düffels pointierte Bühnenfassung stützen. Der langjährige Dramaturg des Thalia Theaters und Bestsellerautor („Houwelandt“/2004) hatte sie schon 2011 herausgebracht. Am Ohnsorg bekommt das Stück nun noch mehr Würze und einige neue Noten.

Typische Dinks: "Double Income, no Kids"

Bastian kocht nach Tim Mälzers Rezept und will seine Helene mit einem Fünf-Gänge-Candle-Light-Dinner verwöhnen. Beide sind typische „Dinks“ (Double Income, no Kids), in einer Partnerschaft lebende Doppelverdiener ohne Kinder, zwischen 25 und 45 Jahren. Gleichberechtigung scheint für beide selbstverständlich zu sein.

Als aber Helene verspätet von der Arbeit kommt und ihrem Bastian noch erzählt, dass sie vom gemeinsamen Arbeitgeber zum Chief Executive Officer (CEO) befördert wurde und nun zehnmal mehr verdienen soll als er, verbrennt sich der Hobbykoch nicht nur an der Schüssel die Finger. „Helene, dat is keen lütten Unterschied, dat ist en anner soziale Klass“, klagt Bastian – und nimmt den Heiratsantrag zurück. Sein männliches Ego? Nahezu im Eimer.

Regisseurin Milena Paulovics spielt geschickt mit Klischees

Doch da kommen seine Mutter Elisabeth, eine Hardcore-Emanze, und Helenes Mutter Konstanze ins Spiel, vielmehr in die Wohnung. Und die turbulenten Diskussionen um Geschlechter-rollen beginnen so richtig.

Regisseurin Milena Paulovics spielt bei ihrem Ohnsorg-Debüt geschickt mit den Vorurteilen und Klischees. Sie verzahnt die Geschichte des modernen Paares in Nöten mit den An- und Absichten des mütterlichen Doppels. Und sie versteht es, die gegensätzlichen Figuren in einen komödiantischen Einklang zu bringen.

Allen voran dank Birte Kretschmer als Mutter der ungefragten Braut. Ihre ehe- und scheidungserfahrene Zahnarzt-Gattin Konstanze alias „Stanze“ spielt sie im Tonfall, mit blonder Langhaar-Perücke, in pinkfarbenem Tweed-Kostüm und mit Pumps derart komisch, als würde in ihrer Person die halbe Damenwelt von Blankenese und Wellingsbüttel kulminieren.

Elli hat die Hosen an

Eine Expertin in Sachen Männer-Manipulation. Meike Meiners, auch für die plattdeutsche Bearbeitung des Stücks verantwortlich, hat als „Elli“ die Hosen an („Mannslüüd sind Versorger oder gor nix“), offenbart aber im Bündnis mit „Stanze“ auch weichere Züge. Und wenn die Feministin deren „Grüß Gott!“ gendermäßig korrekt mit „Grüß Göttin!“ erwidert, erzeugt der Altwitz immer noch Lacher.

Die erspielt sich Nadine Rosemann bei ihrem Ohnsorg-Debüt insbesondere im zweiten Akt. Da bezirzt sie Bastian statt im Hosenanzug im Kleid und mit Mäuschen-Stimme, dass es dem Partner spanisch vorkommt. Tim Ehlert gelingt mit vollem Körpereinsatz der Spagat zwischen dem von der Mutter gepeinigten Sensibelchen und dem Kerl mit Kinderwunsch. Dass er nach seinem zurückgezogen Heiratsantrag von den drei Frauen ordentlich abgefüllt worden ist, steht auf einem anderen Blatt.

Und singen, ja, das können und dürfen alle vier mit Mikro in Hans Winklers moderner Kulisse mit Sofagarnitur und Hafenpanorama im Hintergrund auch noch: von Nadine Rosemann als „Johanna-von-Koczian-Verschnitt“ (so Ohnsorg-Intendant Michael Lang auf der Premierenfeier) den 70er-Jahre-Hit „Das bisschen Haushalt ...“ über Ehlerts starker Grönemeyer-Interpretation des „Männer“-Songs mit Kretschmer und Meiners als feinem Mütter-Chor auf dem Sofa bis zum Duett des jungen Paares in „Somethin’ Stupid“.

Kleine Überraschungen von Regisseurin Milena Paulovics und Dramaturgin Cornelia Stein sind das. Die Frage, wie der recht kurze zweite Akt ohne die Gesangseinlagen ausgesehen hätte, muss jedoch erlaubt sein. In jedem Fall gibt die plattdeutsche Sprache von Düffels teils intellektuellen Pingpong-Dialogen eine Bodenständigkeit in den Gräben des Geschlechterkampfes. Und der Traum vom Paar auf Augenhöhe mit gleichem Einkommen, er lebt weiter.

„De dresseerte Mann“ wieder Di 15.1., bis 2.3., Ohnsorg-Theater (U/S Hbf.), Heidi- Kabel-Platz 1, Karten zu 15,50 bis 31,-: T. 35 08 03 21; www.ohnsorg.de