Hamburg. Veranstalter und Künstler empfinden Auftritt und Publikumsreaktionen als “bedrückend“. Auswirkungen auf Spielplan.
Es war ein Abend, „der komplett aus dem Ruder zu laufen drohte“, sagt Burkhard Glashoff, als Geschäftsführer der Konzertdirektion Dr. Rudolf Goette verantwortlich für die Klassik-Reihe ProArte. Glashoff, Veranstalter des heftig kritisierten Jonas-Kaufmann-Konzerts in der Elbphilharmonie am vergangenen Sonnabend, empfand den Auftritt und einige Publikumsreaktionen als „bedrückend“. Einzelne Besucher hatten während Mahlers „Lied von der Erde" ihre Plätze gewechselt oder den Saal verlassen, auch bei leisen Stellen und für das übrige Publikum aufgrund der Architektur des Raumes gut hörbar und sichtbar. Zwischenrufer hatten die Akustik bemängelt. Den Sänger hatte all das aus dem Takt gebracht, er deutete im Abendblatt-Interview an, das nächste Hamburg-Konzert in der Laeiszhalle und zunächst nicht mehr in der Elbphilharmonie geben zu wollen. Erstmals stellt sich nun auch der Veranstalter den Fragen, die sich nach diesem Abend stellen – und kündigt, wie Jonas Kaufmann selbst, mögliche Konsequenzen an.
Hamburger Abendblatt: Wie haben Sie als Veranstalter den Abend empfunden?
Burkhard Glashoff: Nachdem der Abend mit einer sehr konzentrierten Aufführung des Orchesterwerks von Luciano Berio gut begonnen hat, ist die Stimmung im Saal während der Darbietung des ‚Lied von der Erde‘ komplett gekippt und es kam zu den beschriebenen Störungen und Zwischenrufen. Das war für mich als Veranstalter schon sehr bedrückend und schmerzhaft, zumal man in der Konzertsituation selbst nicht mehr einschreiten und dem Künstler beistehen kann.
Wie geht man als Veranstalter im direkten Anschluss an so ein Konzert mit dem Künstler um? Was ist da die erste Reaktion?
Das ist natürlich eine Gratwanderung nach einem Abend, der komplett aus dem Ruder zu laufen drohte. Christoph Lieben-Seutter und ich haben anschließend mit großer Offenheit mit Jonas Kaufmann über die Situation gesprochen, versucht, Ursachen zu benennen, die in der besonderen Saalbeschaffenheit und Akustik der Elbphilharmonie liegen. Auf der anderen Seite empfindet es Jonas Kaufmann auch als bedrückend, wenn eine kleine Minderheit im Saal in einer Art und Weise reagiert, die die Spannung des Konzerts für den Künstler und die überwältigende Mehrheit der Besucher zerstört. Das hat Kaufmann, dem die wunderbare Musik Gustav Mahlers ganz besonders am Herzen liegt, schon sehr belastet.
Warum werden überhaupt Karten verkauft, die hinter der Bühne sind, wo die Zuschauer dieses Konzertes den Klang ja deutlich bemängelt haben?
Es ist ja nicht so, dass die Plätze seitlich oder hinter der Bühne grundsätzlich schlecht sind. Abhängig vom Repertoire, der Orchesterbesetzung und der jeweiligen Balance kann man auf diesen Plätzen durchaus einen uneingeschränkten Konzertgenuss und eine unmittelbare Nähe zu den Künstlern erleben. Dass dies im Konzert am vergangenen Samstag nicht der Fall gewesen ist, tut uns aufrichtig leid und ist sicherlich zum Teil einer nicht idealen Balance zwischen Orchester und Solist geschuldet. Vielleicht ist aber auch eine Erkenntnis des Abends, dass ein so sensibles und ungewöhnlich orchestriertes Werk wie das ‚Lied von der Erde‘ in der Elbphilharmonie nicht besonders gut funktioniert.
Haben Sie Verständnis für den Unmut der Zuschauer?
Wir haben vollstes Verständnis für die Enttäuschung von Besuchern, die sich auf einen Abend mit Jonas Kaufmann gefreut haben und die Elbphilharmonie mit dem Gefühl verlassen haben, den Künstler nicht gut gehört zu haben. Für Zwischenrufe und das demonstrative Aufstehen an besonders leisen Stellen fehlt mir allerdings jedes Verständnis; das ist nicht nur den Künstlern gegenüber respektlos, sondern hat darüber hinaus der Mehrheit der Besucher den Konzertbesuch versaut.
Sind die Karten auf diesen Plätzen günstiger?
Die Karten hinter der Bühne sind in der Tat günstiger als im Parkett. Allerdings ist die Einteilung der Preisgruppen vom Haus vorgegeben und für alle Veranstaltungen identisch.
Jonas Kaufmann, der Künstler des Abends, äußerte Verständnis dafür, dass sich einzelne Zuschauer „wie Zuhörer 2. Klasse fühlten“. Ist das eine Einschätzung, die Sie teilen?
Wir teilen sein Verständnis für Besucher, die das Gefühl hatten, den Künstler nicht gut zu hören und damit von einem uneingeschränkten Konzertgenuss ausgeschlossen zu sein.
Hat dieses Konzert beziehungsweise haben die Reaktionen darauf etwas ausgelöst? Ändern Sie für die Zukunft etwas?
Das Konzert hat uns in einer schmerzhaften Art und Weise bestätigt, wie sensibel Gesangsthemen in der Elbphilharmonie zu handhaben sind. Während wir schon sehr beglückende Erfahrungen mit Arienabenden (z. B. unlängst mit Cecilia Bartoli) und konzertanter Oper gemacht haben, ist das Thema ‚Lied‘ in der besonderen Akustik der Elbphilharmonie schwierig, und das gilt seit Samstag auch für das ‚Orchesterlied’. Dies werden wir bei der Programmierung in Zukunft noch stärker berücksichtigen.
Sind Sie mit Jonas Kaufmann, der andeutete beim nächsten Mal nicht in der Elbphilharmonie zu singen, im Gespräch für ein Konzert in der Laeiszhalle?
Wir waren in der Tat schon vor dem problematischen Konzert am Samstag im Gespräch mit Jonas Kaufmann über zukünftige Konzerte in der Laeiszhalle, insbesondere wenn es sich dabei um Liederabende handelt.