Hamburg. Das Bundesjugendorchester, dirigiert von Kirill Petrenko, spielte Werke von Bernstein und Strawinsky: Nicht groß, aber großartig.
Ganz im Rhythmus war der Abend nicht, doch nur auf eine eher spezielle theoretische Weise: Kirill Petrenko, der Noch-nicht-im-Amt-Chefdirigent der Berliner Philharmoniker und damit Pflichttermin, war in die Elbphilharmonie gekommen. Das allerdings ohne sein neues Orchester, denn die stehen dort erst am 17. Februar – mit dem Gast-Dirigenten Yannick Nézet-Séguin – im Terminkalender.
Stattdessen gab Petrenko den Paten-Maestro für das Bundesjugendorchester (BJO), für eine motivierende Lektion im Umgang mit extrem anspruchsvoller Orchester-Literatur. Die Berliner sind das Patenorchester des BJO, da kümmert man sich schon gern und früh um diese höchstbegabten Nachwuchstalente, die im zarten Alter von gerade mal 14 bis 19 Jahren Erstaunliches leisten können.
Schmissiges Bernstein-Best-of
Interpretatorisches Neuland und aufregenden Feinstschliff konnte, wollte und sollte niemand bei diesem Konzert im Großen Saal der Elbphilharmonie erwarten; praktische Erfahrungen sammeln und Glücksmomente stapeln genügte vollauf. Als Vorspiel zu den Rhythmus-Eskapaden der folgenden Attraktionen begann man schmissig, mit Bernsteins „Symphonic Dances“ aus seiner „West Side Story“. Zum Lockerwerden war das Best-of fast ideal, denn die Ehrfurcht beim Anblick der vollbesetzten Saal-Kulisse war dem einen oder anderen Orchester-Gesicht durchaus noch anzusehen. Große Besetzung, eingängige Melodien zur Freude der stolzen Verwandten im Saal, etliche Solo-Stellen, und auf dem Chefpodest ein Dirigent, der Selbstvertrauen und Spaß klug ausreizte. Dass der Mambo etwas brav nach „Jugend musiziert“ klang und weniger nach Beckenmuskeltraining – geschenkt. Wird alles noch kommen.
Als pädagogisch wertvoller Übungsparcours für Zeitgenössisches lag anschließend ein Paukenkonzert von William Kraft auf den Pulten, der sich das um ein halbes Dutzend Pauken arrangierte Stück neben seiner Arbeitszeit im Los Angeles Philharmonic geschrieben hatte. So wirkte es auch, wäre da nicht der von den Berlinern ausgeliehene Solist Wieland Welzel gewesen, der virtuos wirbelte und zauberte. Doch auch hier gab es für das BJO dankbaren Lernstoff: Wie begleitet man, wie hält man sich zurück, was passiert, wenn wenig Konkretes passiert, an dem sich der eigene Enthusiasmus festhalten kann?
Der Dirigent als Fluglotse
Vorbei mit dem Welpenschutz war es bei Strawinskys „Sacre du Printemps“, einem Stück, das mit seinem Taumeln durch ständige Taktwechsel und Akzentverschiebungen auch ausgewachsene Profis blitzschnell aus dem Tritt bringen kann. Aber auch hier trat Petrenko, obwohl er im Rampenlicht stand, konsequent hinter die Musik zurück. Die Zielstrebigkeit, mit der er wie ein Metronom den Jugendorchester-Koloss in der Spur hielt und Unsicherheiten austarierte, half ungemein, er war der Fluglotse, der fest auf dem Boden der Tatsachen blieb. Fliegen sollten die anderen.
Zum Ende hin ließ die Kondition im Musterschüler-Tutti etwas nach; der archaische Druck, mit der sich die Musik gegen ihre Taktstriche stemmte, schwächelte stellenweise, nachdem zuvor so viele heikle Übergänge geschickt überstanden wurden. Aber: Alles kein Beinbruch. Riesen-Beifall, Erinnerungsfotos, natürlich. Und wie die Berliner Philharmoniker mit Petrenko im Großen Saal der Elbphilharmonie klingen, das wird sich wohl erst in der nächsten Saison herausstellen.