Bayreuth. Der auf dem Grünen Hügel gefeierte Weltklasse-Bass über Starrummel, Sängerfamilien und die Verwerfungen des Theaterbetriebes.
Mit Georg Zeppenfeld spielt einer der besten Bässe der Welt in der Champions League der internationalen Sängergilde. Bei den Bayreuther Festspielen wird er als König Heinrich im Lohengrin und als König Marke im Tristan enthusiastisch gefeiert. Im Interview spricht der 52-Jährige über Starrummel, Sängerfamilien und die Verwerfungen des Theaterbetriebes.
Hamburger Abendblatt: Bässe singen meistens Herrscher. Färbt das auf den Charakter ab?
Georg Zeppenfeld: Das richtige Leben holt einen nach jeder Vorstellung so schnell wieder auf den Teppich zurück, dass man sich alle Allüren rasch abschminkt. Den König lässt man in der Garderobe zurück.
Die Regisseure haben unterschiedliche Blickwinkel auf die Figuren. Mal ist der König Heinrich ein Verrückter, dann wieder ein staatstragender Machtrepräsentant. Wie kommt man damit klar?
Einen König zu spielen, ist zunächst einmal ein Arbeitsauftrag wie jede andere Rolle auch. Anfangs lässt einen eine extravagante Rollenauffassung des Regisseurs vielleicht ein bisschen scheu werden. Dann möchte ich verstehen, warum eine bestimmte Charakterisierung meiner Rolle der Inszenierung dient, worin ihr produktiver Sinn besteht. Wenn ich das verstehe, muss ich einen körperlichen Ausdruck dafür finden, vielleicht eine Haltung oder eine bestimmte Art, sich zu bewegen. Und dabei hilft mir der Regisseur.
Im neuen Ring singen Sie 2020 den Hunding. Ist es spannend, auch mal in die Haut eines Schurken zu schlüpfen?
Ja, es ist reizvoll, mal so einen Schuft dazwischenzuhaben. Allerdings ist es für mich ein weiter Weg, wenn ich einen aggressiven Typen spielen muss. Privat bin ich nämlich ein ziemlich friedfertiger Mensch, daher finde ich es oft anstrengend, diese Aspekte mobil zu machen, aber es gehört dazu.
König Heinrich und König Marke: Was haben sie gemeinsam, und worin unterscheiden sie sich?
Außer dem Königstitel haben beide nichts gemeinsam. König Marke hat auf sehr engem Raum eine unglaubliche Farbpalette, die man ihm mitgeben kann, und eine ganz große Empfindungstiefe. Der Heinrich ist eine Heldenbasspartie in Bassbaritonlage mit einigen eingestreuten tiefen Tönen. Er ist mehr der Typ König, ein Repräsentant, der in der Handlung kaum etwas bewegt, weil ihm ein hergelaufener Tenor die Dinge aus der Hand nimmt. Das ist etwas eindimensional, gesangstechnisch aber sehr anspruchsvoll. Der Marke zieht einem dagegen Dinge aus der Seele, von denen man vorher gar nicht wusste, dass sie drin waren, einfach weil die Figur so Extremes erlebt und dabei so plausibel ist.
Sie sind längst ein Star, auch wenn die Bezeichnung Starbass nicht so geläufig ist wie Startenor. Wie ist es, mit berühmten Kollegen wie Anna Netrebko oder Klaus Florian Vogt nicht nur in Bayreuth zusammen auf der Bühne zu stehen?
Es kann sehr beflügelnd ein, denn in der Regel stehen diese Leute ja aus gutem Grund so im Rampenlicht. Die können schon wirklich was, und ich habe oft erlebt, dass man mit extrem guten Kollegen auch selbst besser singt. Man mobilisiert die eigene Bestleistung und lernt auch dazu. Das ist schon ein Geschenk. Gerade das Wagner-Repertoire versammelt oft dieselben Kollegen an unterschiedlichen Orten, das ist so ein bisschen Familienersatz in der Fremde. Bei allem Starrummel muss man aber lernen, dass man auf der Bühne bedeutend ist und außerhalb nicht. Dann lässt man den König in der Garderobe und legt den Nimbus des Besonderen ab, der steht einem nicht zu. Man muss zwischen dem, was jemand tut, und der Person trennen.
Aber was ist mit den Sängern, die es nie nach Bayreuth schaffen?
Mir tun oft die Kollegen leid, die nach ein paar gelungenen Wettbewerben sofort mit Aufgaben konfrontiert werden, denen sie nicht wirklich gewachsen sind, auch an großen Häusern. Ihnen fehlt einfach die Erfahrung, die man an kleinen Bühnen sammeln kann. Und übrigens auch der Respekt vor dem „Unterholz“. Zu den Dingen, die man am Theater als Erstes lernt, gehört der Respekt vor den Leistungen, die oft unter widrigen Bedingungen entstehen. Außerdem findet man bei jedem Kollegen Dinge, die er kann, die man selber nicht kann. Solche gewachsenen Autoritäten können leider immer weniger entstehen, weil SängerInnen in der Regel nach 15 Jahren an einem Haus gefeuert werden, damit sie nicht in die Unkündbarkeit kommen. Ein Ensemble aufzubauen, erfordert auch Rücksichtnahme bei der Spielplangestaltung. Und das wollen und können viele Intendanten nicht mehr. Das ist schade. Ich glaube, dass viele Kollegen, auch wenn sie andere Möglichkeiten hätten, gerne an einem Haus blieben, das ihnen eine langfristige Perspektive bietet. Man selbst hat sich ja auch nicht vorgestellt, von Pontius nach Pilatus zu tingeln und die Leute werfen einem vor dem Vorhang Rosen um die Ohren. Sondern man hat immer gedacht, man hat sein Auditorium und mit dem zusammen entwickelt man sich. Das Theater predigt immer die Menschenrechte und die richtige Weise, miteinander umzugehen, aber beides wird im Theater selbst leider oft nicht gepflegt.
Ostern haben Sie in Salzburg in den Meistersingern erstmals den Sachs gesungen, das wurde viel beachtet. Wie war das Rollendebüt für Sie?
Es ist viel, viel besser gelaufen als erwartet. Ich hatte zunächst große Skrupel, mit dieser Gipfelpartie in Salzburg zu debütieren. Normalerweise macht man das an einem mittleren Haus, wo man nicht so beobachtet wird. Es stellen sich ja zwei Fragen: Schafft man es, hält man es durch? Und was macht man aus der Figur? Auf der Habenseite stand die Möglichkeit, den Sachs mit Christian Thielemann zu singen, ich wusste, dass ich ihm blind vertrauen kann. Die Regie von Jens Daniel Herzog hat mir sehr geholfen, dieser komplexen Figur Hans Sachs auf die Spur zu kommen, die Bühne von Mathis Neidhardt klang gut, und es war eine Lust darin zu spielen, Maske und Kostüm haben mich nicht behindert, ich hatte erstklassige und rollenerfahrene Kollegen um mich. Das hat mir alles in die Karten gespielt. Die Partie verlangt mir schon alles ab, wie allen anderen Interpreten des Sachs auch. Deshalb muss ich mir durchaus überlegen, wo und mit wem ich den Sachs in Zukunft machen will und wie oft. Aber nach der jahrelangen gründlichen Vorbereitung konnte ich mir bei den Endproben die ganzen Sorgen und Befürchtungen von der Seele spielen und singen, und am Ende war es eine Riesenfreude und ein Riesenerfolg.
Nach der Premiere ist vor der Premiere. 2020 sind Sie gleich mit drei Partien in Bayreuth präsent?
Ich singe den Hunding in der Walküre im neuen Ring. Und da der Kollege Günther Groisböck Wotan und Wanderer singt, übernehme ich von ihm in den Meistersingern den Veit Pogner. Dazu singe ich weiterhin den König Heinrich im Lohengrin.