John Neumeier inszenierte einen Bilderbogen mit Jazz und bewegenden Liebesszenen. Beziehungs-Duette sind seine Spezialität.

Hamburg. Die Liebe ist ein rosa Luftballon. Den schenkt der umschwämte Rummelplatz-Hallodri Liliom der kleinen Kellnerin Julie. Die Gastballerina Alina Cojocaru vom Londoner Royal Ballet und der kernige Carsten Jung in der Titelrolle eroberten in der "Liliom“-Premiere nicht nur einander, sondern auch das Publikum im Sturm. Es feierte das darstellerisch wie technisch brillante Solisten-Paar mit Bravo-Rufen und Blumenbuketts.

Herzlicher Jubel empfing auch die (Film)Komponisten-Legende Michel Legrand ("Thomas Crown ist nicht zu fassen“): Er hatte die Musik zu "Liliom“ für zwei Orchester - die Philharmoniker Hamburg und die NDR-Bigband unter Simon Hewett - komponiert. In den Ovationen gingen auch die paar Buhrufe für John Neumeiers manchem vielleicht zu rührseliges Ballett-Theater unter. Es spielt in der amerikanischen Depressionszeit der 30er-Jahre. Neumeier kontrastiert die Armut und Arbeitslosigkeit der Leute mit dem hektischen Vergnügungstrubel auf dem Jahrmarkt, wechselt zwischen den bunten Dom-Tableaus und intimen Szenen häuslicher Gewalt, die an sein Ballett "Endstation Sehnsucht“ erinnern.

Beziehungs-Duette sind Neumeiers Spezialität. Er findet für Liliom, Julie und deren mondäne Rivalin Frau Muskat (Anna Polikarpova) eine charakteristische Ausdruckssprache. Swingen die jazzig unterlegten Muskat-Pas de deux tänzerisch lasziv, erscheinen die Julie-Liliom-Szenen dagegen als reduziertes, doch intensiv gespieltes Tanztheater, etwa in der scheuen Park-Begegnung oder der ergreifenden Totenklage. Denn Liliom ersticht sich nach einem missglückten Überfall auf Frau Muskat. Als sinistrer Komplize war Lloyd Riggins für den erkrankten Dario Franconi im wahren Sinn des Wortes eingesprungen.

Der Mann mit den Luftballons (Sasha Riva) – ein Engel, Todesbote und Drahtzieher der bittersüßen Geschichte – bringt Liliom in den Himmel und dann wieder zur Erde, um seinen Sohn Louis (Aleix Martínez) zu treffen. Jung zeichnet in der abrupt eckigen, extrovertieren Gestik einen Mann, dem Gefühle Angst machen, die er dann in Aggression abreagiert. Cojocarus Julie, stets von Legrands Streicherwogen getragen, tanzt dagegen harmonisch und mit sich eins in der Sicherheit ihres unerschütterlichen Gefühls.

Das Licht aufrichtiger Liebe in dunkler Krisenzeit feiert Neumeier in seinen lyrischen „Liliom“-Szenen. Er bietet mit dem Komponisten Legrand und dem Bühnenbildner Ferdinand Wögerbauer alle Mittel auf, die eine Choreografie zum großen Handlungsballett und publikumswirksamen Erlebnis machen: Eine vielfarbige Partitur, dramaturgisch klaren Aufbau mit aktueller Sozialkritik, emotionale und erotische Spannung im Liebes-Dreieck, sowie Show-Effekte mit Akrobaten und bunten Lichtern auf dem Jahrmarkt. Schließlich ideal besetzte Protagonisten und die Entdeckung der Jungen Riva und Martínez. Weil Neumeier das Ballett in „Liliom“ zurücknimmt, gewinnt er seiner Tanzkunst eine andere theatrale Dimension, die jedoch nur durch das Charisma und Können von superben Balletttänzern leuchtet.

Liliom 6., 10., 19., 20. 12., sowie 5. u. 6.1. 2012, jeweils 19.30, Staatsoper (U Gänsemarkt), Dammtorstraße, Karten von 4,- bis 79,- unter T. 35 68 68; www.hamburgballett.de , www.hamburgische-staatsoper.de