Hamburg. Baz Luhrmann, Macher von „Der große Gatsby“, bringt Leben des King of Rock ’n’ Roll in die Kinos. Beeindruckend: die Konzertszenen.
Den Moment, der die Welt in eine Zeitrechnung vor und nach Elvis Presley teilt, hat Baz Luhrmann im Gesicht eines Mädchens eingefangen. Es ist eines der ganz frühen Konzerte in den 1950er-Jahren, lange vor der King-Werdung des Jungen aus Tupelo, Mississippi. Als der Sänger im rosafarbenen Anzug mit Schmalztolle, geschminkten Augen, Gitarre und Babyface die Bühne betritt und zum ersten Mal zu seinem Hüftschwung ausholt, ist nichts mehr, wie es einmal war.
Die junge Frau im Publikum weiß zunächst gar nicht, wie ihr geschieht, als Mann und Musik sich ihres Körpers bemächtigen und dort für ungeahnte Empfindungen sorgen. Ihr kurzer Widerstand ist zwecklos, bald steht nicht nur sie, sondern der ganze Saal in Flammen. Die Sittenwächter und der halbseidene Musikmanager Colonel Parker sind alarmiert – die einen wittern die Verführung der Jugend durch Sex und den Einfluss schwarzer Popkultur, der andere wittert das Geschäft seines Lebens.
Kino: Von Elvis' Kindheit bis zum King of Rock ’n’ Roll
Neun Jahre nach seinem letzten Film „Der große Gatsby“ hat sich Baz Luhrmann mit „Elvis“ der Lebensgeschichte des King of Rock ’n’ Roll angenommen. Der australische Filmemacher erzählt von Presleys Aufwachsen in prekären Verhältnissen in einer schwarzen Nachbarschaft, seiner frühen Musikleidenschaft, geformt in den Gospelkirchen und Ausgehvierteln von Memphis, Tennessee, seinem Aufstieg zum Superstar und dem Verhältnis zu seinem zwielichtigen Manager – ein Strippenzieher mit nebulöser Vergangenheit aus der Welt der Jahrmarktfreaks, der die Geschichte rückblickend aus dem Off erzählt, meisterhaft abstoßend verkörpert von Oscar-Preisträger Tom Hanks.
Seinen Hauptdarsteller hingegen hat Luhrmann in dem noch relativ unbekannten Schauspieler Austin Butler gefunden. Der 30-Jährige war zuvor in Filmen und Serien wie „Once Upon A Time In Hollywood“, „Hannah Montana“ und „CSI“ zu sehen, spielte bisher aber noch nicht die Rolle seines Lebens, was ihn für Luhrmann und seine Elvis-Interpretation zur perfekten Projektionsfläche macht. Butler schmachtet und verausgabt sich ganz so wie der historische Elvis. Er habe das Vorbild, sein Aussehen, seinen Habitus, während der Produktion so sehr verinnerlicht, heißt es, dass er nach dem letzten Drehtag einen Kollaps erlitt und ins Krankenhaus eingeliefert werden musste.
Austin Butler als Elvis Presley
Gleichzeitig ist es kaum möglich, einem Über-Ich wie Elvis Presley, dessen Wirken erschwerend auf zahlreichen Foto- und Videoaufnahmen dokumentiert ist, jemals wirklich gerecht zu werden. Für Elvis-Ultras bleibt Austin Butler trotz unverkennbarer Ähnlichkeit gleichzeitig zu schön und nicht schön genug, um die gleiche Magie zu entfachen. Weniger vorbelastete erste Zuschauerinnen und Zuschauer dürften von seiner Darstellung hingegen begeistert sein. Für den Durchbruch zum Star sollte es allemal reichen. Hilfreich ist dabei sicher auch, dass der US-Amerikaner seit Ende 2021 Cindy Crawfords Tochter Kaia Gerber datet – ebenfalls Model und ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten.
Bei der Premiere in Cannes und im Rahmen der Met Gala durfte sich Austin Butler außerdem mit Elvis Presleys Ex-Ehefrau Priscilla an seiner Seite schmücken. Sie sei begeistert, die Geschichte meisterhaft erzählt und Butler ein würdiger Elvis, ließ die heute 77-Jährige verlautbaren. Von der Beziehung des einstigen Traumpaares zeichnet der Film freilich ein überaus schmeichelhaftes Bild. Über zahlreiche Affären ihres Mannes sieht die Stieftochter eines United-States-Air-Force-Officer, die Elvis während seines Militärdienstes in Deutschland kennenlernt, großzügig hinweg.
Kinofilm zeigt Elvis' Niedergang
Die Tablettenabhängigkeit ihres Mannes macht ihr zu schaffen und führt schließlich zur Trennung. Die Liebe jedoch bleibt. „Wenn ich 50 bin und du 40, kommen wir wieder zusammen“, daran haben Elvis und die Kinobesucher keinen Zweifel. Was Wahrheit ist und was Fiktion, wissen am Ende nur die Beteiligten. Das gilt für die Liebe zwischen Elvis und Priscilla genauso wie für die Rolle von Colonel Parker im Leben des Kings, der seinen Schützling zwar ins Rampenlicht hob und meisterhaft vermarktete, gleichzeitig aber wohl nicht immer in dessen bestem Interesse handelte.
Im Film „verkauft“ Parker Elvis erst nach Hollywood, später nach Las Vegas, um seine eigene Spielsucht zu finanzieren. Missmanagement und Veruntreuungsverdacht werden von Baz Luhrmann im Abspann des Films behandelt. Ebenso wie der Herztod des Stars 1977, im Alter von nur 42 Jahren im Badezimmer seines Anwesens Graceland. Der Niedergang des einstigen Sexsymbols, die letzten Jahre als Karikatur seiner selbst, aufgedunsen im engen Glitzeranzug mit Superheldenumhang, all das wird im Film nur gestreift.
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Für ein Baz-Luhrmann-Werk ist „Elvis“ leise geraten. Das liegt sicher daran, dass er selbst schon so viel Farbe, Gold und Glitzer mitbringt, dass es die Überhöhung durch den Regisseur und Drehbuchautor gar nicht braucht. Am stärksten ist der Film, wenn er Elvis auf der Bühne zeigt, wie er mit seiner Persönlichkeit und seiner Musik die Massen entfesselt. Denn Ekstase in Bildern einzufangen versteht Baz Luhrmann wie kein Zweiter.
„Elvis“ 160 Min, ab 6 J., läuft im Astor, Cinemaxx Dammtor/Harburg/Wandsbek, Savoy (OF), UCI Mundsburg