Hamburg. Regisseur Joachim Trier über seinen Cannes-Gewinnerfilm „Der schlimmste Mensch der Welt“, der jetzt endlich auch in Hamburg anläuft.
Endlich kommt einer der erfolgreichsten Filme des Cannes-Jahrgangs 2021 auch bei uns in die Kinos. In „Der schlimmste Mensch der Welt“ bringt der norwegische Regisseur Joachim Trier Leichtigkeit und Ernsthaftigkeit auf wunderbare Weise unter einen Hut.
Hamburger Abendblatt: Herr Trier, wie sind Sie auf diesen kuriosen Filmtitel gekommen?
Joachim Trier: In Norwegen sagt man manchmal, wenn alles nicht funktioniert: Ich fühle mich wie der schlimmste Mensch auf der Welt. Das sagt man aber nur über sich selbst, niemals zu jemand anderem.
Klingt ein bisschen nach Selbstmitleid.
Trier: Genau. Und Selbsterniedrigung. Deshalb dachte ich, das sei doch ein schöner Titel für eine Liebesgeschichte. Es geht um Identität, Ambitionen und darum, wie schnell die Zeit vergeht. Wir denken, wir können alles kontrollieren, und bemerken plötzlich: Das stimmt nicht. Wir überblicken nur ein kleines bisschen. Man verhandelt ja ständig mit sich selbst darüber, wer man eigentlich ist. Es ist alles so kompliziert.
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Wo haben Sie Ihre tolle Hauptdarstellerin Renate Reinsve gefunden?
Trier: Gut, oder? Sie hat schon in meinem Film „Oslo, 31. August“ mitgespielt, hatte damals aber nur eine einzige Dialogzeile. Das ist jetzt zehn Jahre her. Sie hat danach keine guten Kinoangebote mehr bekommen, da habe ich mich entschlossen, diese Rolle für sie zu schreiben, denn ich wusste, dass sie großartig ist. Sie kann diese Mischung aus Komödie und sehr körperlicher Darstellung spielen und ist wirklich erstaunlich.
Skandinavische Darsteller können sich normalerweise nicht allein auf das Kino verlassen, sondern spielen auch im TV und Theater. Ist das bei ihr auch so?
Trier: Ursprünglich war sie Theaterschauspielerin, aber jetzt kann sie sich weltweit aussuchen, was sie machen will. Dem Theater wird sie wohl nie den Rücken kehren.
Persönliche gestaltete Filme retten Kinos
Was bedeutet dieser Erfolg für Ihre persönlichen Zukunftspläne?
Trier: Ich werde weitermachen wie bisher, denn ich weiß, ich muss mir selbst treu bleiben. Momentan sitze ich gerade mit mit meinem Kumpel Eskil Vogt an einem neuen Projekt. Wir wissen noch nicht genau, was es wird, weil wir so viel mit unserem aktuellen Film reisen mussten. Ich glaube, die einzige Chance, die das Kino heute hat, sind persönlich gestaltete Filme. Von einem Komponisten erwartet man so etwas ja auch. Ich glaube übrigens nicht, dass das Kino sterben wird, obwohl es vielleicht in Zukunft nicht mehr so viele von ihnen geben wird.
Sind in den vergangenen Jahren nicht ohnehin viel zu viele Filme wöchentlich in die Kinos gekommen?
Trier: Das stimmt. Jetzt heißt es aber: Qualität geht vor Quantität.
Was glauben Sie: Sind die Zuschauer zurück in die Kinos zu bekommen?
Trier: Ich glaube: Ja. Lasst uns für die Programmkinos kämpfen! Wenn man neugierig bleibt und in die Kinos geht, gibt es dort eine Menge guter Filme zu sehen.
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In den 90er-Jahren redeten viele über dänisches Kino und die Dogma-Filme. Wie ist die aktuelle Situation in Skandinavien?
Trier: Es kommen immer noch viele Filme auf den Markt, auch wenn viele der jungen Filmemacher jetzt mehr auf TV-Serien und Streaming-Angebote setzen. Auch Lars von Trier arbeitet gerade für das Fernsehen. Andererseits liefen in diesem Jahr in Cannes drei schwedische Filme im Wettbewerb, „Triangle of Sadness“ hat sogar gewonnen. Da geht also noch etwas. Nach diesem Film bin ich wirklich optimistisch. Ich drehe übrigens immer noch auf 35-Millimeter-Film, weil mir die Farben und vor allem die Hauttöne bei diesem Format so gut gefallen.
Werden Sie wegen Ihres Nachnamens oft mit Regisseur Lars von Trier verwechselt?
Trier: Früher wurde ich ständig gefragt, ob ich mit ihm verwandt bin. Ich kenne ihn nicht besonders gut, bin ihm aber begegnet. Und tatsächlich sind wir entfernt miteinander verwandt. Ich bewundere ihn dafür, seine ganz eigene Art von Kino geschaffen zu haben.