Hamburg. Vor 25 Jahren wurde das erste deutsche Multiplex-Kino in der Nähe von Köln eröffnet: 14 Säle mit 2900 Plätzen für den Mainstream.
Die Glaubensfrage ist, wie immer, eine des guten Geschmacks: Salz oder Zucker? Salz! So jedenfalls lieben es die Amerikaner, sogar warme Butter kann man sich dort über seine Popcorn-Portionen kippen. Die dort derart üppig sind, dass man problemlos eine ganze Schulklasse drei Wochen davon ernähren könnte. In Deutschland ist trotzdem das süße Popcorn Standard geblieben.
Aber auch das symbolisierte eine entscheidende Wende der hiesigen Kinogeschichte: In Hürth bei Köln wurde vor 25 Jahren das erste deutsche Multiplexkino eröffnet. Seitdem sind Kinos mit mehreren Sälen aus den großen Städten nicht mehr wegzudenken. Auch in Hamburg gibt es sechs dieser Lichtspielhäuser, die Cinemaxx-Kinos am Dammtor, in Harburg und Wandsbek sowie die UCI-Kinowelten an der Mundsburg, in Wandsbek und Othmarschen-Park.
Technik hat sich weiter entwickelt, das Popcorn ist geblieben
„Alle waren neugierig, wie immer, wenn es etwas Neues gibt“, erinnert sich Dirk Winands. Er arbeitet bei der UCI-Kinowelt in Hürth als Haustechniker, heute wie damals. 14 Säle mit 2900 Plätzen hatte das Kino, in jedem lief bei der Eröffnung ein anderes Programm. Es sollte ein breites Zuschauerspektrum abgedeckt werden, deshalb reichte das Spektrum vom testosteronlastigen „Stirb langsam“ bis zum märchenhaften „Pretty Woman“.
Das Publikum, gewöhnt an kleine Kinos, bekam etwas zum Staunen. „Ich kann mich nicht daran erinnern, vorher schon einmal in einem Kino so eine große Leinwand gesehen zu haben. Es war ein gewaltiges Erlebnis“, sagt Winands. Die Tonqualität habe damals allerdings nicht den heutigen Standards entsprochen. Das Publikum musste die Eigenarten der Multiplexe erst kennenlernen, das begann schon im Foyer. Popcorn ist bis heute für viele Kino-Grundnahrungsmittel geblieben.
Gleich im ersten Jahr hat das Kino nach seiner Erinnerung einen Besucherrekord aufgestellt – und die Konkurrenz in den Nachbarorten trotzdem nicht verdrängt. „Die gibt es alle noch“, sagt der Haustechniker.
Eine neue Kino-Idee ließ nicht lange auf sich warten
Kurz nach der Premiere in Hürth ging auch das erste Multiplex-Kino der Firma Cinemaxx in Hannover an den Start. „Dabei waren wir eigentlich die ersten, die das Konzept für Deutschland entwickelt hatten, aber zunächst spielten die Banken nicht mit“, erinnert sich Firmengründer Hans-Joachim Flebbe. Es sollte noch bis 1996 dauern, bis er am Dammtor das erste der heute drei Cinemaxx-Kinos in der Hansestadt eröffnete.
2008 schied er im Unfrieden als Vorstand bei der Cinemaxx aus, hatte aber schon neue Pläne. „Ich wollte die älteren Leute wieder zurück ins Kino bekommen“, sagt er. „Multiplexe sind Massenbetriebe. Bei denen steht der einzelne Gast nicht im Mittelpunkt.“ Seine Idee war ein Gegenentwurf zu dieser Welt, das Premium Kino. Viel Personal, eine Garderobe, bequeme Sitze, maximal 20 Minuten Vorprogramm. Das erste seiner Art war das Astor-Kino in Berlin, es sollte später der ganzen Kette den Namen geben. „Der Erfolg war überwältigend“, sagt Flebbe und freut sich, dass in dem zur Kette gehörigen Kinosaal im Bayerischen Hof in München auch bekannte Fußballer des FC Bayern ihre Geburtstage feiern. Zurzeit baut Flebbe ein neues Astor-Kino mit drei Sälen. 2017 soll es eröffnet werden – in der Hamburger HafenCity.
Die Kino-Zielgruppe ist anspruchvoller geworden
Jemand, der den Erfolg der Multiplex-Kinos kritisch begleitet, ist Abaton-Chef Matthias Elwardt. Keine der Kinoketten sei noch im Besitz der ursprünglichen Eigentümer, sagt er, teilweise werden sie aus Großbritannien, Kanada und Australien gelenkt. Die großen Ketten bekämen manchmal Filme zu besseren Bedingungen von den Verleihern, vermutet er, findet aber auch anerkennende Worte für die Konkurrenz. „Sie haben die Schuhschachtelkinos abgelöst und so frischen Wind in eine verschnarchte Branche gebracht.“ Für Programmkinos seien sie „keine wirkliche Gefahr, denn das Publikum schätzt an uns die Programmauswahl und die Präsentation“. Die Eröffnung des Cinemaxx am Dammtor habe die Abaton-Betreiber dazu gebracht, einen dritten Saal zu eröffnen.
Carsten Horn, derzeitiger Cinemaxx-Chef, will das Angebot im Kino in Zukunft den Erwartungen des jüngeren Publikums anpassen. „Die Entscheidung, ins Kino zu gehen, wird angesichts der Vielzahl an Freizeitangeboten immer stärker davon abhängen, ob Kino ein echtes Erlebnis bietet. Wir schauen uns sehr genau an, was wir auf der gesamten Customer Journey verändern müssen, um auch in Zukunft relevant zu sein .“ Customer Journey? Die „Reise des Kunden“ geht hier nicht allein zum Film, sondern auch in die Bereiche Marketing und Kommunikation. „Die junge Zielgruppe ist durch Gastronomie und Angebote wie Zara, Vapiano und Co. anspruchsvoller geworden.“
„Man dachte damals, ein neues Kinozeitalter beginnt“, erinnert sich Michael Töteberg, Autor des Hamburger Kinobuchs „Mach dir ein paar schöne Stunden“ an die Anfangszeit der Multiplexe. Tatsächlich gab es in den 90er-Jahren viele Podiumsdiskussionen über die Zukunft des Kinos, in denen die Vertreter der Multiplexe fast immer den advocatus diaboli geben mussten. Ganz so epochal waren die Auswirkungen dann doch nicht, findet Töteberg und schlägt den Bogen in die Gegenwart. „Während des Filmfests gibt es im Cinemaxx kein Popcorn. Im Abaton, lange Zeit Popcorn-freie Zone, gibt es den Puffmais mittlerweile auch.“
Süß. Und salzig.