Der Regisseur von „Skyfall” sprach mit dem Abendblatt über seinen Lieblings-Bond-Film, Daniel Craig und die Erfordernisse des Zeitgeistes.

Regisseur Sam Mendes ist eigentlich ein Theatermann. Er war Leiter des Donmar Warehouse in London und gewann mit seinen Inszenierungen mehrere renommierte Preise. Schon sein erster Spielfilm „American Beauty“ brachte ihm den Oscar ein. Seitdem hat er fünf Filme in den USA gedreht, zuletzt „Away We Go – Auf nach nirgendwo“. Der 200 Millionen teure „Skyfall“ markiert seine Rückkehr nach Großbritannien.

Hamburger Abendblatt: Die unvermeidliche Frage zuerst: Welches ist Ihr Lieblings Bond-Film, abgesehen von Ihrem eigenen?

Sam Mendes: „Leben und sterben lassen“ aus dem Jahr 1973 war der erste, den ich gesehen habe, deshalb mag ich ihn immer noch, auch wenn vor kurzem feststellen musste, er nicht so gut ist, wie ich ihn in Erinnerung hatte. Aber damals, ich war neun oder zehn Jahre alt, fand ich ihn erstaunlich, geheimnisvoll und aufregend. Deshalb verspüre ich auch eine gewisse Loyalität gegenüber Roger Moore. Das hat mich als Kind gefangen genommen. Als Erwachsener passierte das noch einmal mit „Casino Royale“, weil der mich stark an Ian Fleming erinnerte.

Wann ist Ihnen der Verdacht gekommen, dass Sie selbst mal einen dieser Filme inszenieren könnten?

Mendes: Erst nachdem ich auf einer Party Daniel Craig getroffen habe und der mich fragte: Warum machst du das nicht einmal? Es war nie mein Ziel, einen Bond-Film zu drehen. Es lag an Daniel und daran, dass ich nach England zurückkommen wollte. Außerdem wollte ich mich mit einem Film herausfordern, der in Art und Größe ganz anders war als das, was ich bisher gemacht habe.

Bond-Filme sind eine Balanceakt zwischen Tradition und Innovation. War es schwer, diese Entscheidungen zu treffen?

Mendes: Manchmal. Ich muss dazu sagen, dass ich den Film nach meinen Wünschen gestalten durfte, das konnte ich früh mit den Produzenten klären. Ich wollte, dass Dinge in diesem Film passierten, die man sonst aus dieser Reihe noch nicht kennt. Es war ein Vergnügen einige Klassiker wie zum Beispiel Q oder den Humor wieder zurückzubringen. Wenn so ein Film nur noch eine Sammlung von Dingen ist, die man erwartet, kann man aufhören. Ich hatte eine klare Vorstellung von der Geschichte, wollte aber auch dem 50. Geburtstag meinen Tribut zollen. Trotzdem sollte das nicht von der eigentlichen Geschichte ablenken. Regisseur Martin Campbell hat gute Vorarbeit geleistet, denn er hat in „Casino Royale“ alles weggelassen, was den Anschein von Pastiche hätte haben können und auf Q oder Miss Moneypenny verzichtet. Jetzt können wir den Spaß ein bisschen zurückholen.

Ihr Bond wirkt phasenweise ziemlich nachdenklich. Er sinniert über das Altern und darüber, was er mit dem Rest seines Lebens anfangen will.

Mendes: Ich habe Daniel gleich gesagt, dass seine Rolle seinem eigentlichen Lebensalter entsprechen würde. Er sollte gar nicht erst versuchen jünger zu wirken. Es war nicht leicht für ihn, dass andere Charaktere zu ihm sagten: Hör auf, dafür bist du doch viel zu alt! Aber wenn man ihn so herausfordert, dreht er erst richtig auf. Aber er wusste natürlich auch, dass er am Ende gewinnen würde.

Davor muss er aber noch manchen Tiefpunkt überwinden: Alkoholismus, Zynismus, Depressionen…

Mendes: …Selbsthass, Wut. Das kommt alles aus den Büchern von Ian Fleming. Alle diese Dinge sind in den späteren Bond-Filmen ignoriert worden, weil man in ihnen reine Unterhaltung präsentieren wollte.

Der erste Bond-Film entstand 1962 im Kalten Krieg, was man ihm auch anmerkt. Wie spiegelt „Skyfall“ unseren eigenen Zeitgeist wider?

Die Themenseite zum neuen Bond

Mendes: Schwer zu sagen, weil man in diesem Film keine reale politische oder religiöse Organisation als Ursache des Bösen erwähnen kann. Andererseits bewahrt das einen davor, auf zu einfache Antworten einzugehen. Deshalb haben wir den Konflikt auf die persönliche Ebene gezogen. Javier Bardem sagt eben nicht: Ich habe einen Atomsprengköper in meiner Aktentasche. Seine Motivation ist, dass er persönlich gekränkt wurde. Stattdessen geht es um den Erhalt von Privatsphäre und wie schwer das ist im Alter der Computer und Smartphones. Eine Folge, die dieser Film für mich hatte, ist die Erkenntnis, nichts, was ich geheim halten möchte, auf einem Computer zu speichern. Jeder halbwegs begabte Hacker kommt in zehn Minuten in deinen E-Mail-Account.

Der Film wirkt sehr britisch. Nicht nur, weil Bond am Ende über Londons Dächer blickt, während im Hintergrund der Union Jack flattert. Hat es damit etwas zu tun, dass Sie nach fünf in den USA gedrehten Filmen in Ihre Heimat zurückgekommen sind?

Mendes: Ja. Beruflich war ich zehn Jahre fort, sah das Gute und Schlechte im Land von außen mit einiger Klarheit. Javier Bardem sagt es im Film: „England, das Empire, MI6 – ihr lebt in Ruinen, habt es aber noch nicht bemerkt.“ Das ist wirklich wahr. M hält ihm darauf ein Gedicht von Tennyson entgegen, aus dem klar wird, dass die Nation noch nicht erledigt ist. In der Kabinettsanhörung sagte der Abgeordnete: „Spione, Spionage, das ist doch altmodisch.“ Auf das eigene Heimatland blickt man nun mal mit einer Mischung aus immensem Stolz und immenser Frustration. Wir erodieren hier in Europa und den USA gerade ein bisschen. Wir haben ja auch in der Türkei, Indien und China gedreht. Der Optimismus, die Energie, die man dort erlebt, sind schon erstaunlich.

Vor zwölf Jahren haben Sie in Hamburg den Shakespeare-Preis der Toepfer-Stiftung gewonnen und damals eine Gewerkschaft gefordert, die es Regisseuren ermöglicht überall zu arbeiten. Das ist doch längst Realität. Dafür sind Sie doch das beste Beispiel.

Mendes: Ich war damals noch ein Neuling. Heute finde ich, eine der besten Seiten des Filmgeschäfts ist seine Internationalität. Und es geht ja nicht nur um unterschiedliche Länder, sondern auch um verschiedene Sprachen. Meine gute Freundin Susanne Bier dreht auf Dänisch und Englisch. Das ist doch eine tolle Freiheit! Hollywood lebt von solchen kulturellen Importen von Billy Wilder über Ang Lee bis Milos Forman. Es wäre auch schön, mal einen englischsprachigen Film vom genialen Michael Haneke zu sehen.

Die ersten Kritiken zu „Skyfall“ sind überwiegend euphorisch. Haben Sie schon den Vertrag für den nächsten Bond unterschrieben?

Mendes: Nein. Ich habe nie dem kommerziellen Erfolg hinterher gehechelt. Das wäre auch gefährlich. Man hat mich aber schon gefragt, und das finde ich sehr nett. Für mich war dieser Film ein Schock, eine Abwechslung und eine Herausforderung. Wenn man dem kommerziellen Erfolg zu sehr hinterher jagt, wird man scheitern. Man braucht Erfolg nach den eigenen Kriterien.