ABENDBLATT: Was verbindet Sie mit dem Mann, der Peter Pan geschrieben hat?

JOHNNY DEPP: Seine Liebe zu Kindern. Er hatte im Gegensatz zu mir nicht das Glück, Vater von eigenen Kindern zu sein. Um so mehr hat er sich aber um die Waisen seiner Bekannten gekümmert und adoptierte sie sogar. Ich habe sehr viel Hochachtung vor diesem Mann.

ABENDBLATT: Wieviel von Ihrer Persönlichkeit stecken Sie in eine Rolle?

DEPP: Mit jeder Rolle, die man spielt, bringt man selbstverständlich eine ganze Menge von sich selbst mit. Egal, auf welcher Ebene. Man benutzt Dinge aus dem eigenen Leben und paßt sie an den Charakter an. "Edward mit den Scherenhänden" war eine Rolle, die mich tief berührte, als ich das Drehbuch las. Ich habe ihn so gut verstanden und ihn so sehr geliebt, daß ich mich fast geweigert hätte, mich mit Regisseur Tim Burton zu treffen. Ich war mir sicher, daß er die Figur ganz anders sehen würde als ich. Diese Rolle zeigt genau, wie auch ich mich damals fühlte.

ABENDBLATT: Und was sagt dann "Wenn Träume fliegen lernen" über Ihren Gefühlszustand aus?

DEPP: Ich erlebe gerade die glücklichste Zeit meines Lebens. Ich habe eine Frau und zwei Kinder, die für mich alles bedeuten. Ich kann es nicht anders sagen. Es hat mich aufgeweckt. Ich habe das Gefühl, als hätte ich vorher nur einen bösen, verschwitzten Traum geträumt und bin nun an einem sonnigen Morgen aufgewacht.

ABENDBLATT: Peter Pan, der Junge, der niemals erwachsen werden will, ist längst auch in die Psychologie eingezogen und bezeichnet als "Peter Pan Syndrom" das Nicht-erwachsen-werden-Wollen von Männern . . .

DEPP: . . . und damit einhergehend ein mangelndes Verantwortungsbewußtsein.

ABENDBLATT: Kennen Sie diesen Zustand von sich selbst?

DEPP: Sicher, jeder kennt diesen Zustand, denke ich. Aber ich würde nicht sagen, daß ich nicht bereit bin, Verantwortung zu übernehmen. Was das Nicht-erwachsen-werden- Wollen angeht: Es gibt ja dieses Klischee, daß wir Schauspieler eigentlich alle nur große Kinder sind, und da ist sicherlich auch etwas Wahres dran.

ABENDBLATT: "Fluch der Karibik" war Ihre erste Actionrolle in einem großen Hollywoodprojekt, und in letzter Zeit haben Sie viele große Hollywoodfilme gedreht. Haben Sie Ihre Außenseiterrolle abgelegt?

DEPP: Ich habe mich nie als Außenseiter betrachtet. Ich sehe die Dinge heute mit mehr Distanz und bin zuversichtlicher. Früher konnte ich meinen Platz nicht finden. Wenn man in Hollywood lebt, sich ständig dort aufhält, kontinuierlich in das Geschäft integriert ist, akzeptiert man sein Umfeld und daß es um Druck und Kassenerfolg geht. Ich konnte das irgendwann nicht länger ertragen, weil es mich unglaublich genervt hat und weil ich es für mich nicht brauchte. Ich wollte natürlich immer, daß ein Film gut wird - aber nicht auf Kosten von faulen Kompromissen.