Hamburg. Ethel Smyths Oper „Der Wald“ wurde als unkonventionelles Filmprojekt in Hamburg inszeniert: „Das ist ein riesiges Musikvideo“.

Die Geschichte dieser Oper begann durchaus optimistisch. Als Ethel Smyths „Der Wald“ 1902 an der Berliner Hofoper uraufgeführt wurde, war der Britin dort kein dauerhafter Erfolg vergönnt. Ein Jahr später wurde das Stück zwar an der New Yorker Met – die erste Oper einer Frau – präsentiert und bejubelt, Dirigent Bruno Walter schrieb über seine erste Begegnung mit Smyth: „Als wir uns trennten, stand ich völlig im Bann des Gehörten und ihrer Person.“ Dennoch verschwand der spätromantische Einakter, wie praktisch alles von Smyth, in Archiven und Fußnoten.

Der deutsche Forst als nationales Kulturgut, eine eingeschworene Gemeinschaft mit – vorsichtig ausgedrückt – speziellen Ansichten und der Umgang mit dem Rest der Welt: Das klingt mittlerweile leider nicht mehr nur nach „Freischütz“-Schauermärchen und jovialem Jägerchor-Idyll, sondern auch nach sehr grenzwertigen Gestalten. Um die Vorlage mit politischem Anspruch in die Gegenwart zu holen, hat Regisseurin Kerstin Steeb Smyths Stück tiefgreifend adaptiert, „zeitbezogen und nicht werktreu“.

Kampftruppe verliert sich in Verschwörungsmythen

Aus der waldschratigen Gemeinschaft rund um Landgraf Rudolf und seine Geliebte Iolanthe wurde eine Kampftruppe, die sich immer tiefer in ihre Verschwörungsmythen hineinschraubt. Fremdenfeindlichkeit, der deutsche Wald und die „German Angst“ – das Innen, das Dorf, das Bekannte und, schlimmer noch, das Unbekannte.

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Eine spannungsgeladene Mischung könnte das ergeben, auch, weil Steeb das Stück mit Chat-Protokollen einer rechtsextremen Prepper-Gruppe anreicherte, die der „taz“ zugespielt wurden. Auf die allerhärtesten Passagen habe man verzichtet. „Es ist nicht collagenhaft“, betont Steeb, „wir haben versucht, die Geschichte auf uns zu beziehen. Was hat das mit uns zu tun, mit den Phänomenen, die wir in diesen Krisenzeiten beobachten?“

Original-Orchester wurde in Hamburg umarrangiert

Das Original-Orchester wurde auf Streichquintett plus Horn umarrangiert, vier Stimmen genügen für das Update-Ensemble. Ein Teil der Vorlage blieb übrig, manches wurde von Felix Stachelhaus zur Vertonung der Chat-Texte verwendet. Dazu kommen filmmusikalischer wirkende Passagen mit elektronischer Anmutung.

Corona-konforme Notwehr, weil man noch nicht wieder ungebremst auf eine Bühne kann, war bei dieser Produktion nie das Ziel, sagt Steeb: „Wir haben uns wirklich für einen Film entschieden. Das ist ein riesiges Musikvideo.“ Gedreht wurde auch in einer Villa in Volksdorf und im Sachsenwald, die Musik kam als Playback dazu; es gibt aber auch eine virtuelle Welt, in der sich die handelnden Personen austauschen und verlieren können. „Wir zeigen Orte, die jeder kennt.“

Film-Premiere: 12.6., 22 Uhr, Vorplatz des Lichthof-Theaters (ausverkauft). Weitere Vorstellung 13.6, 22 Uhr. VoD-Stream bis 20.6. unter www.lichthof-theater.de, Karten 8 bis 24 Euro. Nachgespräche via Zoom am 14. und 17.6, jeweils 20.15 Uhr. Anmeldung: lab@lichthof-theater.de