Hamburg. Das Festival zeigt im Juni zwölf herausragende Inszenierungen aus dem gesamten Bundesgebiet. Karten sind ab sofort im Vorverkauf.

Schon der Titel der Jury schmeckt nach seligen Vor-Corona-Zeiten: „Reise-Jury“. Weite Welt! Ferne Abenteuer! So ähnlich jedenfalls: Insgesamt mehr als 137.000 Kilometer sind die neun Juroren Anfang 2020 quer durch die Republik getingelt, um aus deutschlandweit 93 Bewerbungen die zwölf herausragendsten zu den Privattheatertagen (PTT) einzuladen.

Es ging nach München, Berlin und Göttingen, aber auch in die älteste Stadt Baden-Württembergs, in den Torbogen einer fränkischen Stadtmauer (in dem sich tatsächlich ein Mini-Theater verbirgt) und bei Schnee auf die Schwäbische Alb. „Man startete im ICE, die Züge wurden immer kleiner, manche Bühnen waren nur mit den Bus erreichbar“, berichtet die Dramaturgin Luise Peters, und wie sie es sagt, klingt es doch deutlich mehr nach Erlebnis als nach Mühe. „Die Liebe zum Theater lebt wirklich überall!“

Hamburger Festival musste abgesagt werden

Axel Schneider, Intendant der Kammerspiele und vom Altonaer und Harburger Theater, ist auch Leiter der Privattheatertage.
Axel Schneider, Intendant der Kammerspiele und vom Altonaer und Harburger Theater, ist auch Leiter der Privattheatertage. © Funke Foto Services | Roland Magunia

Vor einem Jahr hätten die neunten Privattheatertage eigentlich stattfinden sollen, auch dieses Hamburger Festival musste jedoch aus den bekannten Gründen abgesagt werden. Nicht nur die Jurys waren zum Zu-Hause-Bleiben gezwungen, an den Theatern wurde nicht mehr gespielt, glücklich war, wer eine Videoaufzeichnung seiner Produktion einreichen konnte.

Vom 8. bis zum 20. Juni 2021 stehen nun die damals ausgewählten jeweils vier Stücke in den bekannten Kategorien „(Moderner) Klassiker“, „(Zeitgenössisches) Drama“ und „Komödie“ im Wettbewerb um die Monica-Bleibtreu-Preise. Und die Qualität der Einladungen klingt vielversprechend: Erlebt hätten sie und ihre Mitjuroren auf diesen Roadtrips ja so manches, erzählt Luise Peters, die mit dem Regisseur Niklaus Helbling und der Schauspielerin Annelore Sarbach in der Kategorie „Drama“ als Jurorin unterwegs war, aber „weder Provinz- noch Kommerzödnis“.

„Jahre später, gleiche Zeit“ in Hamburger Kammerspielen

Das Sechs-Personen-Stück „Emmas Glück“ zum Beispiel, vom Theater Eurodistrict Baden Alsace in Offenburg, wird auf Deutsch und Elsässisch (mit Übertiteln) gespielt. Zum wiederholten Male ist – diesmal mit einem Hölderlin-Abend – das Theater Lindenhof aus Melchingen dabei, das dort in einem Gasthof spielt. „Nathan der Weise“ kommt vom Zimmertheater Rottweil, die französische Komödie „Alles, was Sie wollen“ vom Torturmtheater Sommerhausen.

Das Magdeburger Theater an der Angel bringt das Ost-West-Stück „Jahre später, gleiche Zeit“ in den Hamburger Kammerspielen auf die Bühne, denn das Erfolgsrezept der vergangenen Jahrgänge wird auch in diesem Punkt beibehalten: Neun Hamburger Bühnen sind Gastgeber für die anreisenden Privattheater, erstmals dabei sind das Sprechwerk und der Galionsfigurensaal des Altonaer Museums. Auch die Hamburger Kammerspiele, das Altonaer Theater, das Ohnsorg-Theater, das Bergedorfer Theater Haus im Park, das Harburger Theater, das Allee Theater und das Ernst Deutsch Theater stellen ihre Räume zur Verfügung.

Schnelltests für Schauspieler

Für alle Vorstellungen gelten die Vorschriften, unter denen auch das reguläre Theaterleben in Hamburg in Kürze wieder anlaufen darf: Die Platzierung der Zuschauerinnen und Zuschauer orientiert sich am vergangenen Herbst (am Altonaer Theater bedeutet das rund 160 statt 534 Plätze), das Publikum trägt während der Vorstellung Maske und muss einen Schnelltest, eine vollständige Impfung (zwei Wochen nach der Zweitimpfung) oder die Genesung nachweisen.

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Auch die Schauspieler werden am Vorstellungstag schnellgetestet – bis auf die beiden Darsteller der Komödie „Jahre später, gleiche Zeit“: Da dieses Stück ausschließlich in einem Bett stattfindet und auch einen Kuss enthält, werden Ines Lacroix und Matthias Engel sogar PCR-getestet. Die meisten Vorstellungen werden zudem ohne Pause gespielt, angeboten wird eine moderierte Einführung vor jeder Vorstellung.

Hamburg-Jury verleiht Monica-Bleibtreu-Preise

Am 20. Juni verleiht eine (nicht reisende) Hamburg-Jury die drei Monica-Bleibtreu-Preise in einer Abschlussgala; der Hamburger CDU-Abgeordnete Rüdiger Kruse, eine Art „Geburtshelfer“ des Festivals, vergibt den Publikumspreis. Es sei „ein Privileg, solch gute Projekte mitfinanzieren zu dürfen“, findet Kruse, „eine solche Community mitzubilden ist großartig“.

Teil dieser Privattheater-Gemeinschaft sind auch die kleinen Bühnen der großen Städte: Münchens Zentraltheater ist mit der Adaption des Romans „Wir kommen“ von Ronja von Rönne vertreten, Dresdens Societaetstheater mit „Macbeth“; aus Stuttgart kommen „Das Fräulein Pollinger“ (Tri-Bühne) und „Ein Waldspaziergang“ (Forum Theater), Berlins Kleines Theater am Südwestkorso bringt „Eine blassblaue Frauenschrift“ von Franz Werfel nach Hamburg.

Auch Hamburger Produktion nimmt teil

Und auch die Gastgeber-Stadt steht mit einer Produktion im Wettbewerb: Das Ohnsorg-Theater spielt am Altonaer Theater die plattdeutsche Komödie „Extrawurst“ in der Regie von Meike Harten und der Übersetzung von Meike Meiners. Ebenfalls am Altonaer Theater wird die Bestselleradaption „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“ nach dem Roman von Joachim Meyerhoff zu sehen sein. Die Produktion des Jungen Theaters aus Göttingen ermöglicht einen interessanten Vergleich: Am Hamburger Spielort hat es eine eigene Inszenierung des Stoffes gegeben.

Privattheatertage, 8.–20.6. an verschiedenen Hamburger Bühnen. Karten gibt es ab sofort unter www.privattheatertage.de