Hamburg. Das Hamburger Sprechwerk zeigt das Stück „Professor Mamlock“ mit Gustav Peter Wöhler bis zum 4. Juni online.

Die hässliche Fratze des Antisemitismus ist derzeit vielerorts wieder zu sehen, und wie schleichend sich ein moralischer Kompass verschieben kann, hat die Historie in Deutschland unter den Nationalsozialisten auf schreckliche Weise gezeigt.

Exemplarisch anhand des Einzelschicksals eines berühmten jüdischen Arztes schlüsselt das 1933 von Friedrich Wolf verfasste Schauspiel „Professor Mamlock“ den Weg in den Totalitarismus auf und liefert ein Stück eindringlich mahnender Erinnerungskultur. Regisseur Aron H. Matthiasson brachte das Stück nun in der Reihe „Wortgefechte“ zu einer Live-Stream-Premiere im Hamburger Sprechwerk. Das Stück ist zwei Wochen lang online abrufbar und soll später auch vor Publikum gespielt werden. Leichte Kost ist es naturgemäß nicht.

Beklemmender Theater-Stream mit Gustav Peter Wöhler

Die Bühne ist weitgehend leer bis auf ein Sofa, eine Fensterfront in einem Garten und ein paar – kaum benutzte – Requisiten. Das Personal steht in angemessener Distanz, die auch den gleichbleibend alarmierenden Grundton prägt. Gustav Peter Wöhler spielt Professor Mamlock mit einer beeindruckenden Unbedingtheit. Die Familie diskutiert den Reichstagsbrand. Mamlock verkennt die Gefahr, auf die ihn vor allem sein Sohn (überzeugend: Christoph Plöhn) hinweist, der im Untergrund für die Kommunisten aktiv wird.

Aus Hingabe an die geliebte Profession geht Mamlock auch unter den neuen Machthabern seiner Arbeit nach. Ein SS-Mann übernimmt die Klinikleitung, doch der sture Mamlock will weiterarbeiten und darf es als verdienstvoller Weltkriegsteilnehmer zunächst auch. Doch die Hoffnung währt nur kurz.

Bei diesem Stück verbieten sich fast die Zwischentöne, weshalb auch Regisseur Aron H. Matthiasson konsequent auf einen distanzierten Ton setzt. Exkurse, etwa zu dem Anschlag auf die Synagoge in Halle 2019, zeigen die Kontinuität des Antisemitismus bis in die Gegenwart auf, was die Beklemmung noch verstärkt. Die Kamera ist um häufige Perspektivwechsel bemüht, weshalb man die Protagonisten mitunter nur von der Seite oder von hinten sieht. Das steigert die Lust darauf, dieses lange nachwirkende Stück möglichst bald in einem echten Theatersaal zu erleben.

„Professor Mamlock“ Stream bis 4.6. verfügbar unter www.sprechwerk.hamburg, Premiere vor Publikum für Frühjahr 2022 geplant