Abschiedskonzert in Hamburg: Die 87-jährige Chanson-Legende begeisterte am Mittwochabend bei ihrem Tournee-Auftakt in der Laeiszhalle.
Wenn eine Legende wie Juliette Gréco auftritt, dann gibt es zwei Mal stehende Ovationen. Nicht erst, wenn sie geht, sondern auch, wenn sie kommt. Es ist ein Applaus voller Dankbarkeit, warmherzig und gerührt, der ihr in der Laeiszhalle beim Betreten der Bühne entgegenbrandet.
Es ist Grécos Abschiedskonzert in Hamburg. Sie ist eine Dame von 87 Jahren, eine große Künstlerin, Repräsentantin der französischen Kultur und mit ihrem Chansonprogramm derzeit auf „Farewell“-Reise. Sie hat diese Tournee wirklich so genannt, ein einziges englisches Wort in einem rein französischen Programm, in dem auch die Ansagen zwischen den Stücken auf Französisch sind. Dieses eine Wort wirkt wie ein Fremdkörper, dabei war sie ja auch Schauspielerin in Hollywood.
Hat man eben noch unweigerlich nach über das Klingeln nachgedacht, das in der Laeiszhalle das Schließen der Saaltüren ankündigt (irgendwann wird die Gréco dieses Erkennungszeichen aller Hallen der Hochkultur ein allerletztes Mal hören – heute noch nicht), wird man mit dem ersten Stück gleich gefangen genommen vom süßen Zauber des Chansons. Wie entschieden dieser Gegensatz: Der leicht unsicher wirkende Gang der Künstlerin, ihr zerbrechliches Wesen – und die Kraft ihrer Stimme, mit der sie schroff und beherzt zugleich in die Songs dieses denkwürdigen Abends gleitet. Sie steht ihren ganzen Vortrag über fest auf ihrem Platz in der Mitte der Bühne und schickt ihren Gesang in den gut gefüllten Saal. Eine Sängerin, die nach einer halben Ewigkeit im Unterhaltungsgeschäft jedes Konzert mit Konzentration und Hingabe angeht, und im hohen Alter den Wert der Auftrittsökonomie besser kennt als je zuvor. Kein Wort und keine Bewegung zu viel. Und das ganze mit einer Ausstrahlung, die der Zeit enthoben scheint.
Jaques Brel („Ces gens-là“), Serge Gainsbourg („L’Accordéon“) – sie interpretiert die Großen der französischen Liedkunst. Am Klavier begleitet sie ihr Ehemann und auch musikalischer Gefährte Gérard Jouannest, am Akkordeon Jean-Louis Matinier. Beide bringen mit ihrem Gespür für das Tändeln zwischen Leichtigkeit und Melancholie den spezifischen Ton des klassisch-modernen Chansons auf die Bühne, den Juliette Gréco mit auch zärtlich-robuster Gestik untermauert. Natürlich, möchte man sagen, trägt sie Schwarz, die Erkennungsfarbe der Existenzialisten, mit denen Gréco in einem fernen Zeitalter in Paris zusammenkam.
Nach knapp 15 Liedern in 65 Minuten und lang anhaltendem Applaus – Gréco kommt noch drei Mal halb auf die Bühne, singt aber keine Zugabe – ist der Abend schon vorbei, enttäusche Gesichter gibt es freilich nirgends. Es ist ja eine historische Begebenheit, pointiert, voller Würde und nicht rührselig: Hamburg sagt „Au Revoir“ zu einer wahren Künstlerin und zu einer Epoche. Schön war’s.